Prinzregententheater: Barockmusik im Primadonnenformat

Opernfestspiele: Sonya Yoncheva und William Christie mit Arien von Händel im Prinzregententheater
Robert Braunmüller
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Die bulgarische Sopranistin Sonya Yoncheva.
Die bulgarische Sopranistin Sonya Yoncheva. © Thompson/Sony

"Musica laetitiae comes medicina dolorum" stand unübersehbar auf dem Deckel des Cembalos. Auf deutsch heißt das: "Musik ist die Gefährtin des Frohsinns und Balsam für den Schmerz". Das passte gut zum Festspiel-Barockkonzert von Sonya Yoncheva mit Arien von Georg Friedrich Händel. Seinen Ursprung hat der Spruch wohl in Jan Vermeers Gemälde "Die Musikstunde", wo er ebenfalls auf einem Tasteninstrument zu lesen ist.

Wechsel zwischen Solo-Gruppe und Streicher-Tutti ging verloren

Die bulgarische Sopranistin hatte sich optimaler Unterstützung versichert: Am Cembalo saß der in München nur sehr selten gegenwärtige William Christie, der eine Solistenbesetzung seines Ensembles Les Arts Florissants leitete. Kleinere Abstriche waren da allerdings zu verzeichnen: Zwar ist es möglich, ein Concerto grosso von Händel mit nur fünf Streichern und einer Oboe aufzuführen, der Wechsel zwischen einer Solo-Gruppe und dem Streicher-Tutti geht dabei allerdings verloren. Und in der Hornpipe aus op. 6 Nr. 7 wirkte die Rhythmik ein wenig verwaschen.

Sonya Yoncheva: Barockmusik im XXL-Format

Aber die meisten Besucher dürften gekommen sein, um Sonya Yoncheva zu hören. Sie demonstrierte im unverwüstlichen "Ombra mai fu" aus "Serse" erst einmal ihre Kunst des an- und abschwellenden Tons, die Belcanto-Experten als "Messa di voce" bezeichnen. Auch wenn Yonchevas Stimme anzuhören ist, dass die Künstlerin als Norma, Medea und Tosca unterwegs ist: Sie kann Barockmusik singen, die dann allerdings im XXL-Format erscheint. Das bleibt natürlich Geschmackssache. Wer aber schon einmal unter dem in der Alte-Musik-Szene verbreiteten Trockengesang gelitten hat, wird Yonchevas Opulenz begrüßen.

Bei der Arie aus "Serse" wurde ein Bruch zwischen dem hohen und tiefen Register hörbar, den die Sängerin bisweilen sehr effektvoll in sinnliches Gurren verwandelt. Auch sonst ist ihr eher dunkles, bisweilen auch flackrig-raues Timbre gewöhnungsbedürftig. Die Verehrer dürften auf die bisweilen frappierende Ähnlichkeit mit der Stimme einer in New York geborenen Griechin verweisen, alle anderen erfreuen sich an ihrer souveränen Figurencharakterisierung mit dem rückhaltlosen Einsatz aller Mittel, die einer Primadonna erlaubt sind.

Künstlerin neigt zur Vokalise

Als Cleopatra charmierte sie mit dem Oboisten, nicht ohne bei der Zugabe noch beträchtlich an Verführungskunst zuzulegen. Hin und wieder - vor allem bei englischen Texten wie in der Arie aus "Theodora" - neigt die Künstlerin zur Vokalise. Am stärksten ist sie immer, wenn es heftige Kontraste zu gestalten gibt - etwa durch Accompagnato-Rezitative oder Arien mit stark kontrastierendem Mittelteil wie "Ah mio cor" aus "Alcina".

Auf die Gefahr hin, dass wir uns dem Zorn der Theatergastronomie zuziehen: Die 90 pausenlosen Minuten dieses Arienabends förderten die Konzentration. Die Sängerin bot in acht Arien aus unterschiedlichen Werken das komplette Affektspektum einer typischen Opernpartie von Händel. Die beiden berühmtesten Melodien "Ombra mai fu" und "Lascia ch'io pianga" (aus "Rinaldo") fehlten nicht, mit instrumentalen Sätzen wurde nicht Zeit geschunden: Sie blieben Beikost.

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Die Künstlerin dürfte allerdings ihr Repertoire gern ausweiten: Auf die erste Zugabe als Purcells "Dido and Aeneas" folgten nur noch Wiederholungen aus dem Hauptprogramm. Die waren zwar in der Interpretation nachgewürzt, aber angesichts von 40 Händel-Opern müsste das nicht sein. Balsam wurde den zuletzt in München nicht verwöhnten Barock-Aficionados reichlich gespendet, und auch die puren Primadonnen-Fans hatten Grund zum Frohsinn.

In den weiteren Liederabenden der Opernfestspiele sind noch Ian Bostridge (18. Juli), Jonas Kaufmann (23. Juli), Marlis Petersen (26. Juli) zu hören. Infos unter staatsoper.de

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