Premiere im Residenztheater: Hans Neuenfels über "Antigone"

Der Regisseur Hans Neuenfels über seine Inszenierung der „Antigone“ von Sophokles am Residenztheater.
Mathias Hejny |
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Elisabeth Trissenaar (Frau aus Theben) und Valery Tscheplanowa (Antigone) in Sophokles’ "Antigone".
Matthias Horn 2 Elisabeth Trissenaar (Frau aus Theben) und Valery Tscheplanowa (Antigone) in Sophokles’ "Antigone".
Elisabeth Trissenaar (Frau aus Theben) und Valery Tscheplanowa (Antigone) in Sophokles’ "Antigone".
Matthias Horn 2 Elisabeth Trissenaar (Frau aus Theben) und Valery Tscheplanowa (Antigone) in Sophokles’ "Antigone".

Der 75-Jährige ist das, was man als ein Urgestein bezeichnen könnte. In den 1970er-Jahren gehörte er zu den Vertretern des umkämpften „Regietheaters“ und war ein zuverlässiger Lieferant von Theaterskandalen. Hans Neuenfels arbeitet aber nicht nur im Schauspiel, sondern auch im Musiktheater. Anfang des Jahres inszenierte er am Nationaltheater die Uraufführung von Miroslav Srnkas Oper „South Pole“. Jetzt geht er nebenan im Residenztheater von der Antarktis in die Antike.

AZ: Herr Neuenfels, Sie haben einen nachhaltigen Ruf als „Skandalregisseur“ und viel Erfahrung damit, beim Schlussapplaus ausgebuht zu werden. Wie fühlt sich das an? Ist es Teil eines Konzepts oder doch eher kränkend?
HANS NEUENFELS: Das passiert mir in den letzten Jahren kaum noch. Als ich noch jünger war, war es eher überraschend. Aber es war immer ein starker Kampf, ein Hin und Her. In den wenigsten Fällen hat es gekränkt. Es gab manchmal bewusste Aktionen des Publikums. Die sind sehr unangenehm. Das ist eine Haltung der Aversion, die man nicht will.

Haben Sie an Ihrer „Antigone“-Fassung mitgeschrieben?
Wir haben versucht, eine sehr flüssige und verständliche Übersetzung zusammen zu bekommen. Es ist größtenteils die Fassung von Ernst Buschor. Wir haben aber auch etwas von Wolfgang Schadewaldt, Walter Jens und anderen verwendet und nach eigenem Sprachempfinden ein wenig angepasst. Eine zeitgenössische Sprache wollen wir aber auf keinen Fall, sondern eine entfernte Sprache, die natürlich nicht hölderlinsch ist. Die Schauspieler haben das gerne im Mund.

Wie häufiger in der Vergangenheit spielt wieder Ihre Frau Elisabeth Trissenaar mit.
Sie ist die Frau aus Theben. Ich habe bei der „Medea“, wo sie die Medea spielte, vor 40 Jahren damit angefangen, den Chor als Einzelperson spielen zu lassen. Jetzt habe ich das auf andere Weise wiederholt. Ich bin kein Liebhaber der Chöre. Das können manche aus einer anderen Liga besser. Die Chöre in „Antigone“ sind sehr schwer an den Zuschauer zu bringen. Sehr akademisch und sehr entfernt. Wir haben Vieles unternommen, um sie zu einer wirklichen Vermittlerin zu machen.

Auf den ersten Blick geht es in dieser Tragödie um einen Konflikt zwischen Religiosität und Staatsraison. Was sehen Sie auf den zweiten Blick?
Das Stück stellt die naive und große Frage, die von Antigone formuliert wird. Was bewegt einen Menschen unter Verlust des eigenen Lebens zu einem Aufruhr gegen einen Staatsapparat? Ein Toter, der nicht begraben und den Hunden ausgeliefert wird, ist in der Antike nichts Sensationelles. Aber dieses Mädchen hat eine Antenne dafür, ein unmittelbares Empfinden, dass es um eine Verletzung des Humanen geht.

Steht dem aufgeklärten Europäer der rationale Staat nicht näher als eine religiöse Motivation, die schlimmstenfalls zum Terror führt?
Natürlich hat sich unser Verhältnis zur Religion dahingehend verändert, dass wir uns, auch wenn wir selbst keinen haben, vom Glauben bedroht fühlen. Das schwingt alles mit, aber wir legen hier keinen großen Wert darauf. Wir haben mit den Texten, dem Verhalten der Figuren und einer großen Kühle eine narrative Form des Theaters gewählt. Es gibt keine Filmeinspielungen und auch keine großen Fingerzeige. Wir haben versucht, das Thema des Stücks in all seiner Komplexität einerseits und ihrer Klarheit andererseits anzugehen: „Was ist der Mensch?“ und „Wann greift der Mensch ein?“

Sie nannten das Stichwort „narratives“ Theater. Hatten Sie Gelegenheit, den Glaubenskrieg, der gerade um die Kammerspiele und das „performative“ Theater geführt wird, zu verfolgen?
Leider nicht. Aber es gibt verschiedenste Formen, Themen darzustellen. Das macht das Theater ja so reichhaltig.

Wie sehen Sie die nächste Zukunft des Theaters?
Ich bin nicht Teiresias, der blinde Seher. Aber das Theater entdeckt gerade die Mischformen. Es könnte auf die Dauer zu Schwierigkeiten mit der Frage kommen: „Wie erzählt man noch was wem?“ Aber das Theater wird das für sich und mit seinem Publikum finden. Es wird sich regenerieren, denn es ist so vital. Es hat schon immer Wellen gegeben, und diese im Moment ist eine ganz besonders starke Welle. Das wird sich ordnen.

Residenztheater, Premiere, heute, Sa., 19.30 Uhr, auch am 14. 12., 19.30 Uhr, 21. 12., 3., 11., 24. 1., 20 Uhr, Telefon 21 85 19 40

 

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