Orff-Festival : Mit den Wurzel des Bairischen in Verbindung kommen

Joseph Bastian dirigiert beim Orff-Festival am Ammersee heuer das Musiktheater "Die Bernauerin".
von  Michael Bastian Weiß
Der Dirigent Joseph Bastian
Der Dirigent Joseph Bastian © Astrid Ackermann

Zwei mathematische Gleichungen als Motto: Diese Kuriosität ist beim Orff Festival Andechs - Ammersee, das am 21. Juli begonnen hat, Corona geschuldet. "Orff 125 + 1 - Beethoven 250 + 1" bedeutet, dass man den 125. Geburtstag des Altbayern und den 250. Geburtstag des Wahlwieners zusammen, aber eben mit einem Jahr Verspätung feiert.

Der aufwändigste Programmpunkt ist eine Neuproduktion von Carl Orffs bayerischem Musiktheater "Die Bernauerin". Geleitet wird sie von Joseph Bastian, dessen dirigentische Karriere spätestens seit seinem fulminanten Debüt 2016 beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks immer mehr an Fahrt aufnimmt. Die Bassposaune, die Bastian, noch nicht vierzig Jahre alt, lange Jahre in diesem Orchester spielte, vermisst er laut eigener Aussage nicht.

Selbst die bayerischen Schauspieler haben mit manchen Wörtern Probleme

Der gebürtige Franzose spricht die deutsche Sprache akzentfrei. Die "Bernauerin" aber ist in einem spekulativen Altbaierisch verfasst, das selbst für manche Hiesigen schwer zu verstehen ist. "Dieses Urbaierisch ist ja eine künstliche Sprache. Selbst die Regisseurin Angela Hundsdorfer und die Schauspieler, die aus Bayern kommen, haben mit manchen Wörtern Probleme", berichtet Bastian. "Aber es geht bei der Sprachbehandlung Orffs nicht darum, jedes Wort genau zu verstehen, sondern um das Gefühl, mit den Wurzeln des Bairischen wieder in Verbindung zu kommen."

Ist die Sprachbarriere der alleinige Grund dafür, dass das Stück hierzulande selten und im Ausland gar nicht gespielt wird? "Vielleicht kann auch der rückwärtsgewandte Blick auf die Musikgeschichte, das Renaissance-Bild, das in der ,Bernauerin' entworfen wird, zunächst befremdlich wirken", räumt Bastian ein. "Zum Teil hat Orff auch bei manchen Musikern einen schlechten Ruf, weil er letztlich auf dem diatonischen Dreiklang aufbaut, einfache Rhythmen benutzt - und das für manche Kollegen keine Neue Musik ist. Wenn man die Musik aber dann spielt, das kann ich als Musiker bestätigen, trifft Orff durch das naturalistische Moment immer einen gewissen Nerv, sodass sich alle dann doch sofort angesprochen fühlen."

Generell wird die Rezeption Carl Orffs auch durch die nicht übermäßig ausgeprägte, aber doch auch nicht auszublendende Rolle des Komponisten in Nazi-Deutschland erschwert. "Diesem Thema muss man sich stellen", betont Joseph Bastian. "Das ist auch eine persönliche Frage, welchen Stellenwert der geschichtliche Kontext für einen hat. Ich habe den Eindruck, dass in diesem Zusammenhang für viele betroffene Komponisten vieles aufgearbeitet worden ist. Die Musik von Orff spricht ja auch den Menschen an sich an. Zudem ist die ,Bernauerin', in der es ja um die Unterdrückung der Frau geht, gesellschaftspolitisch in Zeiten von #metoo auch ein unglaublich aktuelles Stück".

Laut Bastian liegt es nicht zuletzt an praktischen Schwierigkeiten, wenn die Werke des gebürtigen Münchners heute vergleichsweise selten aufgeführt werden: den zumeist großen Besetzungen. "Deshalb können Versionen mit reduziertem Orchester einen Beitrag dazu zu leisten, Orffs Musiktheater populärer zu machen, weil es rein finanziell für kleinere Häuser einfacher wird, die Werke zu realisieren".

Dass die "Bernauerin" durch die Bearbeitung allzu viel an Wirkung einbüßt, sieht Bastian nicht. "Selbst die für Orff typische Bombastik leidet nicht wahnsinnig. Meistens sind die harmonischen und kontrapunktischen Strukturen bei Orff nicht so kompliziert, er komponiert ja oft diese extrem elementare Urform von Musik, die fast schon bereit dafür ist, reduziert zu werden. In der Fassung von Paul Schäffer, die wir aufführen, ist das sehr gut gelöst".

"Orff hat alle Orchestermusiker zu Schlagzeugern erklärt"

Nur fallweise war die instrumentale Selbstbescheidung etwas komplizierter. "Aufpassen muss man bei den oft sehr speziellen Klangfarben, die nicht verloren gehen dürfen. Da muss man schon ein bisschen kreativer sein. Wir versuchen, die teilweise außergewöhnlichen Instrumente wie etwa die Klangsteine eng mit der Bühne abzustimmen. Zum Beispiel fragen wir uns: Welcher Stein passt klanglich am besten zur Stimme welches Schauspielers? Zum Glück haben wir hervorragend rhythmisch sprechende Darsteller, die ja nicht nur auf mich als Dirigenten achten können, sondern gleichzeitig auch spielen sollen".

Ist also Orffs Bombastik letztlich gar nicht so wichtig? "Doch! Besonders die zentrale Hexenszene in der'Bernauerin' braucht sehr viel Schlagzeug; Orff selber hat hier alle Orchestermusiker zu Schlagzeugern erklärt, das Klavier muss zum Beispiel mit Paukenschlägeln spielen. Aber an einem eher kleinen Aufführungsort wie etwa dem Florian-Stadl im Kloster Andechs kann man auch mit wenigen Musikern viel Lärm machen!"


Premiere am 30. Juli, 19.30 Uhr im Florian-Stadl von Kloster Andechs. Weitere Vorstellungen am 1., 6., 7. August (19 Uhr) und am 8. August (15 Uhr). Das gesamte Programm findet auf www.orff-festival.com, Karten auf der Homepage oder telefonisch unter Telefon 0171/87 55 237

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