Opera Incognita - weniger ist mehr

Andreas Wiedermann zeigt mit seinem noch einmal abgespeckten Ensemble Opera Incognita, dass Lortzing und d'Albert erstaunlich gut zusammen gehen und weniger bei ihm immer schon mehr war.
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Zofe Hannchen (Carolin Ritter) und Kollege Johann (Manuel Kundinger) sorgen in Lortzings "Opernprobe" für den richtigen Abstand. Und kommen sich dennoch näher.
Foto & Kostüme: Aylin Kaip Zofe Hannchen (Carolin Ritter) und Kollege Johann (Manuel Kundinger) sorgen in Lortzings "Opernprobe" für den richtigen Abstand. Und kommen sich dennoch näher.

München - Weit ist es gekommen, wenn der bayerische Ministerpräsident jetzt schon in der Oper das letzte Wort hat. Halt, viel schlimmer: den letzten Gag. Wie der Gottseibeiuns erscheint Markus Söder mit seiner Rautenmaske in der Apsis der Allerheiligen-Hofkirche und verhindert das klassische Happy End.

Ein heftiger Aufschrei dringt durch den coronabedingt spärlich besetzten Saal, so, als sei in Wagners "Parsifal" der Sarg des Gralskönigs Titurel geöffnet worden. Dabei geht es in Regisseur Andreas Wiedermanns Zusammenführung zweier Operneinakter über 90 Minuten hinweg eher amüsant zur Sache. Albert Lortzings "Opernprobe", die 1852 just einen Tag vor dem Tod des Komponisten Premiere hatte, verfügt über eine titelgebende Leerstelle. Es spricht also nichts dagegen, die angedeutete "Probe" mit einer echten Pocket-Einlage zu füllen, zumal die Protagonisten gleich das passende Stimmfach für Eugène d'Alberts "Die Abreise" von 1898 mitbringen.

Drumherum bietet Lortzings Komödie um den jungen Baron Rheintal (Thomas Paul), der vor einer arrangierten Heirat flieht, um geradewegs in den Armen der für ihn bestimmten Braut Louise (Ines Bergk) zu landen, gute Gelegenheiten, den Pandemie-Frust in mehr oder weniger beißenden Spott zu packen. Da hat sich dann der Tenor beim Spargelstechen angesteckt, der alte Graf gehört selbstredend zur Risikogruppe, und ein "keimfreies Rezital wird vom Klinikum München-Schwabing gesponsert".

Das schrammt zwischendurch knapp am Klamauk vorbei, vor allem, wenn sich Thomas Paul in einer Tour lautstark in die Karikatur eines Tenors wirft und wie beim Vorsingen fürs Heldenfach schmettert. Man kann es natürlich verstehen: Wer monatelang auf keiner Bühne stehen darf, mag sich nicht gleich wieder bremsen. Dabei funktioniert das Wiedermannsche Prinzip ja gerade in der Reduktion aufs Wesentliche - und immer mit einem besonderen Dreh. Diese Kombination macht die Produktionen mit seinem Ensemble Opera Incognita so reizvoll. Und im aktuellen Fall vermisst man noch nicht einmal ein Orchester.

Wiedermanns musikalischer Kompagnon Ernst Bartmann hat die Partituren für ein wunderbar flexibles wie schlagkräftiges Trio aus Violine (Julia Knapp), Klavier (Bartmann) und Kontrabass (Alexander Weiskopf) eingerichtet. Das feine Sticheln der Eheleute in d'Alberts "Abreise" bekommt hier eine besondere Raffinesse. Daniel Weiler und Ines Bergk liefern sich anspielungsreiche Dialoge, bei denen der Möchtegern-Liebhaber und Tenor nur den Kürzeren ziehen kann.

Alles findet sich, und die "Richtigen" kommen bei Lortzing wie bei d'Albert am Ende zusammen. Der Sprung vom einen ins andere Stück gelingt so lässig elegant, dass man gar nicht erst in Erwägung zieht, hier könnte die Not der bösen Krise Patin gestanden haben.

Wieder am 5. und 6. September und 17 und 20.30 Uhr in der Allerheiligen-Hofkirche der Residenz. Restliche Kartenpaare unter Tel. 54 8181 81

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