Oper "Das Medium": Schwankende Scharlatanin
München - Theater findet auf einer Bühne vor Publikum statt. Und zwar in Echtzeit. Alles andere ist Kino, Fernsehen oder ein Stream. Im Fall von "Das Medium" ist diese Feststellung keine Banalität, weil der Regisseur Maximilian Berling die technischen Möglichkeiten der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters maximal ausreizen wollte. Doch die gegenwärtigen Verhältnisse machten ihm leider einen Strich durch die Rechnung.
Drehscheibe der Studiobühne kommt zum Einsatz
Gian Carlo Menottis Kammeroper erzählt von Madame Flora. Sie lässt Geister erscheinen, um von Schicksalsschlägen angekratzten Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, bis die Scharlatanin plötzlich eine kalte Hand auf ihrer Schulter spürt. Gibt es doch Geister? Der Regisseur wollte für diese Erschütterung der Wahrnehmung die um eine runde Spielfläche sitzenden, wenigen, hauseigenen Zuschauer in kreisende Bewegung versetzen (Bühne: Rainer Sinell).
Das geht auf der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters, weil sich dort für Probenzwecke mit einer großen Drehscheibe die technischen Verhältnisse der Hauptbühne simulieren lassen. In einem Livestream teilt sich der Effekt jedoch kaum mit: Dafür müsste man - wie die wenigen hauseigenen Zuschauer - auf der Scheibe sitzen, während die (festen) Wände um ihn herum scheinbar kreisen.
Menottis Kammeroper: Inszenierung mit charakterisierten Figuren
Der starken Wirkung der etwa einstündigen Aufführung tat der fehlende Schwindel allerdings keinen Abbruch, weil die Inszenierung mit scharf charakterisierten Figuren aufwarten kann. Die Mezzosopranistin Anna Agathonos verwandelte sich mehr als überzeugend in die ältliche Madame Flora - und zwar nicht nur im Kostüm, sondern auch mit körpersprachlichen Mitteln. Ihre Kunden (Ann-Kathrin Naidu, Timos Sirlantzis, Elaine Ortiz Arandes) hatten etwas seltsam Verhuschtes, ohne dass die Regie sie zur Karikatur verzerrt hätte. Christian Schleinzer spielte den taubstummen Toby angemessen diskret, die von ihm angebetete Monica (Andreja Zidaric) wirkte in ihrer Bravheit natürlich.
Livestream ist nur eine "Vorpremiere"
Gian Carlo Menotti mischte für diese 1947 am New Yorker Broadway uraufgeführte Oper recht geschickt Mussorgskys und Debussys musikalische Prosa mit Musicalmelodien und einer Prise von italienischem Verismo. Nicht jede melodramatische Streicherfigur klingt in solistischer Besetzung wirklich gut. Das allgegenwärtige Klavier sorgt für eine klangliche Härtung, von der die weiche Musik profitiert (Dirigent: Andreas Partilla).
Der arg melodramatische Schluss, so ist zu fürchten, dürfte im Theater kaum zu retten sein. Aber dazu lässt sich erst etwas sagen, wenn die Inszenierung vor Publikum läuft. Insofern hatte der Hausherr Josef E. Köpplinger schon recht: Er sprach bei seiner Begrüßung von einer "Vorpremiere", die sich erst zu einer Premiere materialisiert, wenn Publikum im Saal sitzt.
Der Stream war bis Sonntag online, Termine für Aufführungen stehen noch nicht fest.
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