One-Man-Show mit Gerd Lohmeyer: Umzug ins Neuland

München — Er trägt einen feinen Anzug, Hemd und Fliege, stützt sich auf einen Stock. Offensichtlich wartet er. Lohmeyer spielt Rudolf, einen alten Mann, der von seinem Sohn in sein neues Zuhause gebracht werden soll, eine sogenannte "Residenz". Oder, wie man früher sagte: ein Altersheim.
Theater ... und so fort: Heiko Dietz inszeniert Monolog eines alten Mannes
Thomas Letochas Stück "Und es geht doch" ist ein Monolog für einen Schauspieler. Heiko Dietz hat die Uraufführung mit großem Gespür für Details und Stimmungen im theater… und so fort inszeniert.
Da sitzt er nun und wartet. Auf seinen Sohn, auf seine zukünftige Heimat. Schön sei es dort, berichtet er, von der Terrasse habe man einen Ausblick ins Grüne. Wenn man früh genug eintreffe. Es sei viel ruhiger als hier, wo die Baustellen lärmen. Nette Damen. Und das Probeessen, eine Roulade, war auch nicht schlecht. Nicht so gut wie die von seiner Frau freilich, aber wirklich nicht schlecht. "Ich freu mich auf mein neues Zuhause", wiederholt er wie ein Mantra.
Rudolf ist optimistisch. Und Gerd Lohmeyer, dieser feinsinnige und ein bisschen spitzbübische alte Herr, gibt ihm eine große Portion Resilienz mit auf den Weg. Dieser Rudolf Westermann will glauben, dass alles gut wird, dass sein Leben nicht zu Ende ist, nur weil dieses Leben in seiner eigenen Wohnung zu Ende geht. Sicher wird er Damenbekanntschaften machen in der Residenz, sicher werden die Filmabende schön. Sicher wird es kein Problem sein, dass Geigen und Hunde verboten sind. Er will, dass es gut wird. "Ist nicht schade", sagt er sich immer wieder.
Gerd Lohmeyer: Ein Abend voller Erzählungen
Aber natürlich ist es das doch. Um die Lieder der Sprachschüler von gegenüber, die er immer mitgesungen hat am offenen Fenster. Um Ali vom Gemüseladen, der ihn immer anrief, wenn er frische Mangos bekommen hatte. Um die Nachbarn. Um den Alltag mit all seinen Ecken und Kanten.
Weil er aber nun da sitzt wie bestellt und nicht abgeholt, kommt er ins Erzählen und ins Erinnern, packt nach und nach so einiges wieder aus, was sein Leben war und nun in den Kartons auf eine ungewisse Zukunft wartet. Zudem ist da diese mysteriöse Frau, die ihn immer wieder aus Italien anruft, weil er ein Päckchen für sie angenommen hat. Wie eine Schicksalsgöttin stupst sie seine Gedanken an.
Wanderung durch die Erinnerungen
Immer tiefer wird Rudolf in seine Erinnerungen gezogen, der alte bewegungslose Mann verwandelt sich zunehmend in den jungen, abenteuerlustigen, der er einmal war. Einer, dem der Schalk im Nacken saß, der den Moment genossen hat und auch die Liebe.
Assoziationsketten tun sich auf, er erinnert sich an seine Frau, die ihre Winkekatze geliebt hat, aber nie mit ihm in die Oper gehen wollte. Einmal hat sie als Ausrede behauptet, sie habe sich aus Versehen im Saferaum der Bank eingeschlossen. Vielleicht hat sie es auch wirklich getan? "Aus Angst vor Carmen", lacht er. Sie fehlt ihm. "Wenn sie noch leben würde, könnten wir darüber streiten", sagt er einmal. "Das wäre schön."
Es ist noch nicht vorbei: Nicht das Leben, nicht das Lieben
Gleich aber zieht er sich wieder raus aus der kleinen Traurigkeit, die ihn da überkommt, erinnert sich an den Antrag, den er ihr gemacht hat, an Italien. Er stellt ihr Bild auf und dreht die Winkekatze zu ihr, damit sie ihr zuwinkt. Es sind kleine Gesten wie diese, die diesen Mann zum Leben erwecken und den Abend so rund machen. Es ist rührend, Gerd Lohmeyer bei diesem präzisen und psychologisch klugen Spiel zuzusehen.
Irgendwann kann er sich ob der Lebendigkeit seiner Erinnerungen die Zukunft in der Residenz einfach nicht mehr schönreden. Nicht jetzt, wo seine Frau wieder "da" ist und ihm wieder eingefallen ist, was möglich ist im Leben. An Gefühl, an Abenteuer, an Glück. Apulien, das wäre was. Das Schicksal gibt ihm einen Wink, aus dem mysteriösen Päckchen heraus läutet der Wecker, der ihn erinnert: Es ist noch nicht vorbei. Nicht das Leben. Und auch nicht das Lieben. Die Erinnerung an zwei Tage in Paris lässt ihn schließlich noch einmal aufbrechen. Nach Gallipoli. Cappuccino in Italien statt Filterkaffee in der Residenz.
Wieder an diesem Samstag und Sonntag und weiter jeweils Fr, Sa, So bis 26. Februar, Hinterbärenbadstraße 2 (U6 Partnachplatz), www.undsofort.de und AK