Ohne Hut, aber weiter mit Wut

  Christian Springer hat seine Figur Fonsi in Rente geschickt. Jetzt trat er im Schlachthof mit seinem neuen Programm „Oben ohne“ auf.
von  Michael Stadler

Christian Springer hat seine Figur Fonsi in Rente geschickt. Jetzt trat er im Schlachthof mit seinem neuen Programm „Oben ohne“ auf.

In solchen unsteten Zeiten wie den unsrigen mag man eigentlich gar nicht, dass sich auch noch im Kabarett die Dinge ändern. An Fonsi, den blitzgescheiten Kassenwart des Schlosses Neuschwanstein, hat man sich längst gewöhnt, man hat ihn ehrlich gesagt lieb gewonnen. Aber jetzt soll er in seine wohl verdiente Rente gehen, meint Christian Springer, und er kann das sagen, weil er ja der Fonsi ist. Beziehungsweise war. Aber wer behütet jetzt das schöne Schloss? Ach, Springer ist das herzlich egal.

Also: Kassenwartskappe weg, und schon tritt er im Schlachthof mit seinem neuen Programm „Oben ohne“ auf. Immerhin glüht unter dem Anzug angriffslustig ein pinkes Hemd, und kaum hat Springer behauptet, dass nun auch der bayerische Grant passé sein müsste, poltert er bereits los, auch noch mit Neuigkeiten: Putin habe gerade alle Truppen aus der Krim abgezogen, weil Gauck und Merkel gesagt haben, dass sie sonst nicht zur Abschlussgala der (sowieso längst beendeten) Paralympics kommen. Wirksame Sanktionen, das wäre was!

Springer lässt seine Fantasie gern ins Absurde wuchern, in den völligen Quatsch, aber damit zeigt er, wie haarsträubend unsere Realität ist: ein Drei-Stunden-Krisengespräch am Telefon zwischen Obama und Putin („So lange telefonieren Teenager!“). Und dann Seehofers Haltung zur Energiewende: Strom passt scho, aber bitte ohne Kabel. Da spinnt jemand, und Springer spinnt den Unsinn weiter. Dass man jetzt auch den Urknall „hören" soll, das macht ihn baff, aber der Sound des Big Bangs kommt bei ihm und uns nicht lauter an als ein Pups.

Das Große reißt Springer aufs Alltägliche herunter, wobei er in seinem sprudelnden Gedankenfluss immer wieder den Bogen zur Vergangenheit spannt: von der Energiewende zu Demokrit, der die Solarenergie entdeckt hat, von der schwachen Herrscherin Merkel zu den gewaltigen Amazonen, die oben ohne den Männern die Köpfe verdrehten, um sie später abzuhauen.

Die Kassenwartuniform mag weg sein, die Empörung ist weiter da: besonders über rechte Gewalt und einen bayerischen Innenminister, dessen Statement „Wir sind nicht das Sozialamt des Balkans“ Springer zu einem Heavy-Metal-Solo auf der Zither inspiriert. Die Bundesbank holt das auswärtig gelagerte Gold nach Deutschland zurück, was Springer dazu veranlasst, furios fabulierend die Vision einer allseits vergoldeten Bundesrepublik zu erträumen.

Herrlicher Schmarrn, aber hinter allem Irrwitz steckt immer eine starke Haltung. Da muss man nicht zittern, dass der Fonsi weg ist. Springer hat dieselbe Moral. Und einen Urknall sowieso.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.