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In zwei Jahren wechselt Martin Kusej an die Burg nach Wien: Welcher Wechsel kommt auf das Residenztheater zu?
Robert Braunmüller |
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Im Theater geschehen immer wieder Wunder. Um einen Intendanten zu finden, braucht man Glück – und Verstand.
Thomas Dashuber Im Theater geschehen immer wieder Wunder. Um einen Intendanten zu finden, braucht man Glück – und Verstand.

Vor einer Woche wurde bekannt, dass Martin Kusej ab Beginn der Spielzeit 2019/20 das Burgtheater leiten wird. Eine Überraschung und doch keine. Als angesehenster Regisseur Österreichs war er seit Nikolaus Bachlers Wechsel an die Staatsoper ein natürlicher Kandidat. Die Frage nach seinen Burg-Ambitionen war eine Art Running Gag bei den Pressekonferenzen des Residenztheaters, bei denen Kusej jede Ambition mit Verweis auf seine Münchner Erfolge rituell bestritt.

Die Suche nach einem neuen Intendanten ist eine Richtungsentscheidung. Die liegt beim Bayerischen Staatsschauspiel theoretisch beim zuständigen Ministers Ludwig Spaenle und praktisch bei seinem Ministerialdirigenten Toni Schmid, dem über die Jahre bei den Museen und Theatern kaum ein echter Missgriff passiert ist.

Dramen gegen Performer

Spaenle und Schmid stehen vor zwei Möglichkeiten: dem Weiter-So mit maßvoller Kurskorrektur oder einem radikalen Kurswechsel. Aber nach den städtischen Erfahrungen mit den von Matthias Lilienthal trotz interessanter Ansätze und bestem Willen leergespielten Kammerspielen ist es ausgeschlossen, dass ein bayerischer Kulturpolitiker mit Restsachverstand das Staatsschauspiel in ein performatives Spielhaus verwandelt.

Der harte Schnitt wird in zwei Jahren ausbleiben. Den hat das Residenztheater ohnehin mit dem Wechsel von Dieter Dorn auf Kusej hinter sich – wenn auch erheblich weniger schmerzhaft als damals erwartet. Denn der wertkonservative Ansatz änderte sich kaum. Wie in der Ära Dorn steht auch bei Kusej das Drama steht im Mittelpunkt. Auf der Bühne wird grosso modo mit psychologischen Mitteln erzählt. Das Ensemble besteht aus Schauspielern, nicht aus Performern. Aktualität wird durch den Filter der Literatur und der gehobenen Sprache vermittelt.

Politisches Theater

Eine gute Auslastung ist nicht alles. Aber viel. Und Kusejs Kurs findet auch sonst Bestätigung, etwa in der Einladung der „Räuber“ zum Berliner Theatertreffen. Das Staatsschauspiel beschränkt sich keinesfalls auf unpolitisches Literaturtheater. Die ungelösten Konflikte auf dem Balkan oder in der Türkei standen durchaus im Fokus. Kusej kocht nicht wie Lilienthal mit Flüchtlingen. Er interessiert sich mehr für das bürgerliche Seelenleben. Und wenn Migration auf die Bühne kommt, dann über den Phädra-Stoff und symbolisch überhöht als allgemeine menschliche Unbehaustheit. Machtfragen werden im Residenztheater auf der Bühne mit Hilfe von Schiller und William Shakespeare verhandelt.

Einen harten Spardruck, der Politiker zur Zerschlagung des großen Ensembles verführen könnte, gibt es in Bayern nicht. Im Gegenteil: Der Staat investiert in die Zukunft seiner Bühne. Die Werkstätten ziehen in einen Neubau, die Marstall-Saniernung wird dort eine größere dritte Spielstätte neben dem Neuen und Alten Residenztheater entstehen lassen.

Ein paar Namen

Einen zweiten Chris Dercon oder Lilienthal wird Spaenle kaum berufen. Wen dann? Gewiss nicht den hin und wieder genannten Christian Stückl. Der ist mit dem Neubau des Volkstheaters im Schlachthofviertel über 2020 hinaus ausgelastet. Ein Wechsel innerhalb der Stadt wäre provinziell. Derzeit macht sich Stuttgart zum Gespött, weil der nächste Chef des Schauspiels aus dem nahen Mannheim geholt wurde.

Einen seiner geliebten Russen wird Toni Schmid kaum verpflichten. Der neue Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels, ob Mann oder Frau, wird aus dem deutschen Sprachraum kommen. Inszenierende Theaterleiter sind öfter abwesend, vor allem, wenn sie wie Martin Kusej eine gut funktionierende Fließband-Fabrik für Opernregie führen. Aber sie haben den Vorteil einer klaren Handschrift.

Ein denkbarer Kandidat wäre Thomas Ostermeier, der an der Berliner Schaubühne einen ähnlich literarisch orientierten Spielplan wie das Staatsschauspiel pflegt. Oder Thomas Oberender, der Intendant der Berliner Festspiele und Ex-Schauspiel-Chef der Salzburger Festspiele – ein geschliffen formulierender Gegner der Lilienthalisierung des Theaters.

Amélie Niermeyer inszeniert seit Jahren am Residenztheater. Sie hat Intendanz-Erfahrung. Aber ihre Arbeiten werden immer farbloser. Eher in Frage käme die scheidende Züricher Intendantin Barbara Frey. Weil bei Schmid alle Österreicher einen Stein im Brett haben, sollte man auch Bettina Hering im Auge behalten. Sie gibt heuer als Schauspielchefin der Salzburger Festspiele ihre Visitenkarte ab.

Das Staatsschauspiel ist eines der größten und finanziell bestausgestatten Häuser im deutschen Sprachraum. Und deshalb braucht man sich keine Sorgen machen, dass Schmid und Spaenle keinen finden.
 

 

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