Neuinszenierung von Richard Strauss' "Capriccio" in der Bayerischen Staatsoper: Im Irrgarten der braunen Grauzonen

In der zweiten Hälfte der Opernfestspiele feiert die Bayerische Staatsoper ihren Hausgott Richard Strauss. Der war – bekanntlich – auch nur ein Mensch. Und weil er nicht nur vor 1933 und nach 1945 eine öffentliche Person war, gibt es auf seiner Weste auch ein paar ekelhafte Flecken.
Regisseur der Uraufführung ignorierte Nazi-Verbindung gekonnt
Das Programmheft der Neuinszenierung von "Capriccio" geht mit diesem Problem eigentlich verantwortlich um - ähnlich wie David Martons Inszenierung dieses 1942 im Nationaltheater uraufgeführten "Konversationsstücks für Musik". Der Theaterzettel nannte damals übrigens den Kunst- und Propagandaminister Joseph Goebbels als Schirmherrn.
Rudolf Hartmann - der Regisseur der Uraufführung und spätere Intendant der Bayerischen Staatsoper - hat diese Zeile einfach herausgeschnitten, als er den Zettel in sein 1980 erschienenes Buch über die Opern von Richard Strauss aufnahm.
Wer sich ein wenig mit Richard Strauss in der NS-Zeit beschäftigt hat, kennt den Brief, den der Komponist am 17. Juni 1935 an Stefan Zweig schrieb. Der österreichische Schriftsteller hatte zwar das Libretto zur "Schweigsamen Frau" verfasst, war aber bereits vor den Nazis ins Exil geflohen. Der Komponist bestand trotzdem darauf, statt "Oper nach Ben Jonson" überall Zweigs Name abzudrucken, worauf Hitler und andere Nazi-Größen vom Besuch der Uraufführung in der Dresdener Semperoper absahen.
Richard Strauss war kein Widerstandkämpfer
Zum Widerstandskämpfer oder inneren Emigranten wurde Strauss trotzdem nicht. In dem Brief an Stefan Zweig vom Juni 1935 rechtfertigt er sich für allerlei regimenahe Aktivitäten. Strauss erwähnt in diesem Zusammenhang ein Konzert der Berliner Philharmoniker im März 1933, bei dem Nazis gedroht hatten, den Saal zu verwüsten, falls Bruno Walter ans Pult trete. Der Dirigent flüchtet ins Ausland, Strauss sprang für ihn ein, was international viel Aufsehen erregte und den Ruf des Komponisten nachhaltig beschädigte.
In dem im "Capriccio"-Programmheft abgedruckten Brief stehen vor Bruno Walters Name drei Punkte, die traditionell eine Kürzung kennzeichnen. So steht der Brief auch in älteren Ausgaben, aber seit Jahrzehnten ist auch bekannt, dass die rhetorische Frage im Original "Weil ich für den schmierigen Lauselumpen Bruno Walter ein Concert dirigiert habe?" lautet.
Bayerische Staatsoper sollte Zitat nicht beschönigen
Es ist nicht zum ersten Mal, dass dieses Zitat in einem Programmheft geschönt wird. Wenn man den Brief anno 2022 abdruckt, sollte man diese antisemitisch gefärbte Bemerkung nicht weglassen. Bruno Walter ist außerdem als ehemaliger Generalmusikdirektor der Jahre zwischen 1913 und 1922 ebenfalls eine Art Hausgott der Bayerischen Staatsoper.
Strauss nutzte der Brief übrigens nichts. Zweig brach den Kontakt ab, der Brief wurde von der Gestapo abgefangen, der Komponist musste als Präsident der Reichsmusikkammer zurücktreten. Das NS-Regime war verstimmt, was aber nichts daran änderte, dass Strauss bis 1945 und darüber hinaus eine vielgeachtete und geehrte Figur blieb - mit diversen Schattierungen in den Grauzonen, die sich nicht ohne weiteres weißwaschen lassen.