Neues aus dem Kindergarten für Erwachsene

Wann schafft es Bayreuth eigentlich, eine Premiere ohne Rauswurf oder Rücktritt eines Künstlers in letzter Sekunde herauszubringen? Vor einigen Tagen reiste Andris Nelsons aus Franken ab. Nun ist klar: Der Lette wird nicht zurückkehren. Wer die Premiere von Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ am 25. Juli dirigiert, ist noch unklar.
Mit „dem allerhöchsten Respekt vor dem Management der Bayreuther Festspiele, dem Regisseur und seinem Team, den Assistenzdirigenten, der gesamten Besetzung, dem Orchester und Chor“ habe Nelsons die Festspielleitung und Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele um die Auflösung seines Vertrags gebeten. Leider hätten ihm die „Umstände bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen“ nicht „die Atmosphäre ermöglicht, die er für seine künstlerische Arbeit“ benötige, heißt es in einer Mitteilung. Seiner Bitte sei „mit Bedauern“ entsprochen worden.
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Natürlich gibt es zu diesen atmosphärischen Trübungen allerlei Hügelgezwitscher. Nelsons dankt allen Mitwirkenden der Produktion einschließlich dem Management. Wo war dann das Problem? Angeblich heißt es Christian Thielemann. Der Musikdirektor der Festspiele gehört streng juristisch gesehen nicht zur Leitung der Festspiele. Er habe, so wollen Insider wissen, aber seinem Kollegen unerbeten gute Ratschläge erteilt, die dieser nicht habe hören wollen. Thielemann habe sich sogar in dessen Proben eingemischt.
Das Ganze passt zum Krach des Vorjahrs. Da erklärte Kirill Petrenko nach alsbald wieder dementierten Hausverboten für die ausscheidende Mit-Festspielchefin Eva Wagner-Pasquier und anderen Unstimmigkeiten, „nur die Verantwortung und der Respekt meinen Kollegen“ gegenüber habe ihn davon abgehalten, „seine Mitwirkung aufzukündigen.“
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Auch da spielte Thielemann eine Rolle als Intrigant. Dass dieser Dirigent erfolgreiche Kollegen wegbeißt, ist seit seinem Abschied mit den Münchner Philharmonikern ein offenes Geheimnis. Nelsons ist als kommender Chef des Gewandhausorchesters Leipzig der lokale Konkurrent der von Thielemann geleiteten Staatskapelle Dresden.
Die „Parsifal“-Neuproduktion wird – wie alles in Bayreuth – vom Pech verfolgt. Ursprünglich sollte das Gesamtkunstwerk Jonathan Meese die Aufführung inszenieren. Sein Konzept war den Festspielen angeblich zu teuer. Er wurde im November 2014 durch Uwe Eric Laufenberg ersetzt. Dessen Konzept enthält angeblich islamkritische Elemente, was die Stadt Bayreuth zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen veranlasst hat. Kürzlich wurde der Tenor Klaus Florian Vogt im Soldatenkostüm von der Security festgesetzt, weil er keinen Ausweis dabeihatte.
Wer wird nun dirigieren? Gar Thielemann selbst? Dann kann er gleich den kommenden „Ring“ ab 2020 übernehmen, für den ebenfalls Nelsons vorgesehen war. Das alles ist ohne Frage sehr unterhaltsam. Und in gewisser Weise ist Theater immer ein Kindergarten für Erwachsene. Aber man fragt sich schon, ob’s nicht professioneller geht. Ein bisschen wenigstens.