Neoklassische Strandbad-Allüren

Wilde Gesten, aber ohne körperlichen Tiefgang: Der australische Ballett-Shooting-Star Terence Kohler choreografiert das konfliktreiche Dreiecksstück „Helden“ für das Staatsballett im Nationaltheater
Robert Braunmüller |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Es riecht nach Äpfeln. Nach der ersten Pause liegt ein gutes Dutzend auf der Bühne, ehe es wieder losgeht. Erst ein, dann drei und zuletzt fünf Paare klemmen sich das Obst zwischen die Lippen und tanzen zur deftigen Musik von Alfred Schnittke ein rustikales Apfelkussballett.

Diese heitere Szene bleibt eine Episode. Terence Kohlers „Helden“ erzählt einen Dreieckskonflikt: Athena Parthenos (Emma Barrowman), die Muse und Geliebte von Prometheus (Lukás Slavicky) lässt sich am Ende des ersten Akts zu einem zarten Pas des deux mit Epimetheus (Ilia Sarkisov) hinreißen. Das führt zu Streit und Bruderzwist. Ihm erliegen am Ende beide Männer, wobei die Todesart von Prometheus ein wenig unklar bleibt. Pandora (Katherina Markowskaja) lässt ihre Büchse in der Garderobe und bleibt eine Episodenfigur, die auch anders heißen könnte.

Die Mythologie dient als Überbau zum Eifersuchtskonflikt zweier leicht verwechselbarer Männer. Der Kulturbringer Prometheus empfängt das Licht von der Sonne. Er gibt seine Botschaft mit wilden Gesten weiter, die vom Ensemble mit Hand-Lämpchen raffiniert vergrößert werden. Wer mag, darf das Wischen auf einem Smartphone oder Tablet assoziieren. Auch der QR-Code auf dem Prometheus-Kostüm lässt an Zeitgenössisches denken.

Kohler hat das Changieren zwischen postmodernem Neo-Barock und expressiver Übermalung in Schnittkes Concerti grossi in eine angemessene Körpersprache übersetzt. Die Musik wirkt wie für „Helden“ komponiert, obwohl sie schon gut 30 Jahre alt ist. Wenn sich die Stimmung nach dem Apfeltanz verdüstert, die Eifersucht ausbricht und zugleich die Masse an Prometheus zu zweifeln beginnt, setzt die angemessen düstere Ausdrucksmusik von Lera Auerbach ein. Ihre Stimmung wird entscheidend von einer singenden Säge und dem Theremin (in der linken Orchesterloge) geprägt.

Kohler setzt seine Aktschlüsse sehr bewusst und wirkungssicher. Vor der zweiten Pause setzt sich der anfangs nur körpersprachliche Streit in Lauten fort. Das Finale erinnert ziemlich fatal an Massengymnastik in einem Strandbad, ehe nach dem Tod der Helden die Menschheit befreit von dannen zieht, Athena allein übrig bleibt und sich erneut, etwas ratlos der Röhrensonne in rosalies nicht ganz taufrischem Raumkonzept zuwendet.

Am besten ist der Abend, wenn sich der Tanz ganz der gegenstandslosen Körperlichkeit überlässt. Kohlers Helden- und Zivilisationskritik bleibt verwaschen, seine Ideen zum Verhältnis zwischen Held und Masse konventionell. Sein neoklassischer Stil passt gut zum Staatsballett. Aber Zeitgenössisches lässt sich mit dieser Körpersprache halt nur schlecht ausdrücken.

Wieder am 27. 4., 10. und 31. 5. und im Juni im Nationaltheater. Karten unter Telefon 21 85 19 20

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.