Nadja Michael über die Titelrolle von Leos Janaceks "Die Sache Makropulos"
Keiner hört ihr wirklich zu: Als erste Premiere wird an der Bayerischen Staatsoper Leos Janáceks "Die Sache Makropulos" neu inszeniert
Eine Opernsängerin, die 337 Jahre alt ist, sucht nach der Formel des ewigen Lebens, um sie endlich zu verbrennen. Ab Sonntag verhandelt die Bayerische Staatsoper „Die Sache Makropulos“ von Leos Janácek neu. Nadja Michael verkörpert in Árpád Schillings Inszenierung die Primadonna, um die alles kreist.
AZ: Frau Michael, wäre es nicht schön, 337 Jahre zu leben?
NADJA MICHAEL: Über 300 wie Emilia Marty nicht, aber 150 Jahre vielleicht schon. Ich hätte schon Lust, einen Blick in die Zukunft zu werfen, um zu schauen, was meine Kindeskinder so machen. Aber es muss schwierig sein, all jene zu überleben, die einem nahe stehen.
Haben Sie die Rolle schon einmal gesungen?
Ich bin ganz jungfräulich herangegangen, weil ich „Die Sache Makropulos“ auch noch nie auf der Bühne gesehen habe. Die ersten beiden Akte sind wie ein Konversationsstück oder eine Sitcom. Alle Figuren außer Emilia Marty sind ins Fratzenhafte verzerrt. Aber in ihrer Musik tauchen immer wieder Fetzen von Emotionalität auf. Später werden die Linien immer länger.
Was ist diese Marty eigentlich für eine Figur?
Jeder fragt sie etwas, keiner hört ihr wirklich zu, und jeder Mann ist erbost, weil sie sich nicht so verhält, wie er es erwartet.
Wie stellt man eine 337-jährige Frau dar?
Bei der Liebesszene mit Gregor dachte ich: Wie wäre es, wenn mich mit 80 Jahren ein 30-Jähriger anmachen würde? Emilia Marty hat Absenzen und wird schnell müde. Das innerliche Alter fordert seinen Tribut.
Wie schwer ist Ihnen das Tschechische gefallen?
Am Anfang meiner Karriere habe ich in München die Warwara in „Katja Kabanova“ gesungen. Damals habe ich viel am Tschechischen gearbeitet und Sprachunterricht genommen. Janacéks Musik orientiert sich an der Sprachmelodie. Deswegen muss man sich damit beschäftigen. Aber es macht auch Spaß!
Wie kommen Sie mit dem Regisseur klar?
Man muss Árpád Schilling einfach lieben. Er verzerrt die Figuren nicht. Seine Arbeit ist ganz aus der Zuneigung zum Menschlichen heraus motiviert.
Emilia Marty ist Opernsängerin. Erkennen Sie sich da wieder?
Eine Situation kommt vor, die ich gut kenne: Man ist nach einer Vorstellung völlig erschöpft, und alles prasselt auf einen ein. Alle wollen einem die Hand drücken und mit einem reden.
Sie gelten als Spezialistin für extreme Frauen. Müssen Sie sich da nicht in jeder Neuproduktion selbst überbieten?
Ich habe den Eindruck, dass meine Bühnenpräsenz manchmal das Musikalische erschlägt, etwa bei Johann Simon Mayrs „Medea in Corinto“, die sehr schwer zu singen ist. In einer Inszenierung, mit der ich nicht einverstanden war – ich werde sie nicht nennen –, habe ich mich kürzlich komplett zurückgenommen. Plötzlich hieß es: „Die Stimme der Michael hat sich weiterentwickelt!“ Dabei habe ich einfach nur gesungen.
Wie gehen Sie an solche Rollen heran?
Ich bin in meinem Leben erst vergleichsweise spät zur Musik gekommen. Jede Auseinandersetzung mit einer Rolle beginnt für mich mit der Energie: Opernkomponisten haben ihre Werke komponiert, weil sie inhaltlich etwas ausdrücken wollten. Daher lese ich zuerst den Text, dann werden die Figuren für mich lebendig.
Sie haben oft darüber gesprochen, dass Sie Ihre beiden Töchter allein großgezogen haben.
Wie alt sind sie jetzt? Zwölf und 13 Jahre – am Anfang einer schwierigen Zeit. Sie sind viel mitgereist und waren auf internationalen Schulen. Bevor die Töchter kamen, habe ich viel Repertoire gesungen, danach nur Neuproduktionen. Das hat möglicherweise dazu beigetragen, dass ich nun als Spezialistin für brachiale Weiber gelte.
Premiere am Sonntag, 19. Oktober, 18 Uhr. Auch am 22., 26., 29. Oktober und 1. November im Nationaltheater. Karten unter Telefon 2185 1920