Musik in Zeiten der Vernichtung
Die Staatsoper spielt Hans Krásas Kinderoper "Brundibar" in Gegenwart einer Zeugin der Aufführung von 1943 im KZ Theresienstadt
Am Donnerstag spielen Musiker der Bayerischen Staatsoper Hans Krásas Kinderoper "Brundibár". Sie wurde 1943 im KZ Theresienstadt aufgeführt, der Komponist und zahlreiche Mitwirkende danach nach Auschwitz deportiert und ermordet. Dagmar Lieblová ist eine der letzten Zeuginnen dieser Aufführungen. Sie kommt am Donnerstag nach München.
AZ: Frau Lieblova, wie verlief Ihr Leben vor Theresienstadt?
DAGMAR LIEBLOVÁ: Ich stamme aus Kutna Hora, einer Kleinstadt in Mittelböhmen. Mein Vater war Arzt. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch das Deutsche Reich durfte er nur noch Juden behandeln. Danach wurde unser Leben wurde immer mehr erschwert; 1942 brachte man uns nach Theresienstadt, dem Sammellager für alle tschechischen Juden. Ich war damals 13 Jahre alt.
Wie haben Sie die Aufführung von "Brundibar" erlebt?
In dem Mädchenheim, wo ich untergebracht war, wurde bekanntgegeben, dass am Abend nach der Arbeit im Keller fähige Sängerinnen für eine Kinderoper ausgesucht werden sollten. Die Gesangprüfung machte Rafael Schächter, der das Projekt leitete, ich wurde in den Chor aufgenommen.
Wo fanden das alles statt?
Auf dem Dachboden der "Magdeburger Kaserne". Der Andrang war gross, es war immer voll. Karten wurden irgendwie verteilt, es kamen Erwachsene und Kinder. Ich habe, neben den Proben, nur an wenigen Aufführungen teilgenommen, weil unsere Familie bald nach der Premiere abtransportiert wurde.
Es soll 55 Aufführungen gegeben haben.
Die Besetzung änderte sich ständig, weil die Mitwirkenden teils an Krankheiten starben, hauptsächlich jedoch immer wieder in die sog. Osttransporte eingereiht wurden, und so immer wieder neue Mitwirkende gesucht werden mussten. Die meisten Aufführungen fanden erst nach meinem Abtransport statt.
Theresienstadt galt als "Vorzeigelager", mit dem die Nazis das Rote Kreuz zu täuschen versuchten. Hat die Aufführung von "Brundibar" damit etwas zu tun?
Der Besuch des Roten Kreuzes erfolgte erst im Sommer 1944, nach den Aufführungen. Die Initiative ging vom Komponisten Hans Krasa aus. Auf dem Dachboden der Kaserne gab es auch Aufführungen von "Figaros Hochzeit" und Kabarettaufführungen.
Wie haben Sie überlebt?
Ich wurde 1943 mit meiner Familie nach Auschwitz deportiert und später vom SS-Arzt Josef Mengele zur Arbeit bestimmt. Anfang Juli 1944 wurde ich nach Hamburg gebracht, um Schutt von bombardierten Häusern wegzuräumen. Am 15. April 1945 wurde ich von den Briten im KZ Bergen-Belsen befreit.
Nach dieser Biografie wundert es mich, dass Sie nach dem Krieg Germanistik studiert und Deutsch an der Uni unterrichtet haben.
Das werde ich oft gefragt. Aber die deutsche Sprache und die Deutsche Geschichte sind eines, die Zeit der NS-Herrschaft etwas anderes.
Do., 14. November, 19 Uhr, Jüdisches Zentrum, St. Jakobsplatz, Karten 20 und 30 Euro, Tel. 21 85 19 20
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