Musical "We Will Rock You" wird 20: Angemessen Gaga
München - Seit zwei Jahrzehnten steht das Musical "We Will Rock You" ("WWRY") für eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Zwei Dutzend Songs der Rockband Queen werden mit viel Wortwitz in eine dystopische Erzählung verwoben und gehen seither um die Welt. Etwas Vergleichbares gibt es weder für die Beatles noch für die Rolling Stones.
Schon kurz nach Freddie Mercurys Tod 1991 entwickelt Queen-Manager Jim Beach die Idee eines Musicals, das die Lebensgeschichte des Leadsängers von Queen erzählen soll. Doch dazu kommt es nicht, denn Roberto De Niro, der als Co-Produzent auftritt, möchte lieber die Story der Band auf der Bühne sehen, von der Gründung bis hin zu Freddie Mercurys Tod. Schließlich findet sich ein Kompromiss: Anfang der Nullerjahre schreibt der Bühnenautor Ben Elton das Libretto zu WWRY in enger Zusammenarbeit mit Queen-Gitarrist Brian May und Queen-Drummer Roger Taylor.
WWRY-Premiere: Fachpresse entsetzt, das Publikum tobt vor Freude
Die Uraufführung von WWRY findet vor 20 Jahren im Dominion Theatre in London statt. Die Fachpresse und das Feuilleton sind bei der Premiere entsetzt ob der dünnen Rahmenhandlung und der bemühten Situationskomik, aber das Publikum tobt vor Freude: Boom Boom Cha dröhnt es fortan jahrelang im Dominion, einem der größten Schauspielhäuser im Londoner West End.
In enger Absprache mit dem Queen-Management, oft auch direkt mit Brian May und Roger Taylor wird WWRY zu einer internationalen Produktion, die auf allen Kontinenten zu sehen ist. Die Rechnung geht auf: Das Vermächtnis von Queen wird mit Hilfe der globalen Musikshow gewinnbringend vermarktet. Davon profitieren nicht nur der Legenden-Status von Freddie Mercury oder der Mercury Phoenix Trust (Aids-Hilfe), sondern auch Wiederveröffentlichungen von Queen-Alben, der Kinofilm "Bohemian Rhapsody" oder die zahlreichen (Solo-) Aktivitäten von Brian May und Roger Taylor.
Ben Eltons biblisch-dystopische Fantasygeschichte spielt in der Zukunft auf dem Planeten iPad: Dort herrschen Einheitlichkeit und orwellsche Verhältnisse. Live-Musik, Musik-Instrumente und sogar das Komponieren von Musik sind in dieser düsteren Gesellschaftsordnung verboten. Rockmusik ist aus dem Gedächtnis der Bevölkerung gelöscht. Gehört wird nur noch ein Einheitsbrei, für den stellvertretend Roger Taylors Elektropopsong "Radio Gaga" von 1984 steht.
Queen wollten den Song damals im MTV-Zeitalter als Kritik an den vielen drögen Musikvideos verstanden wissen, doch die szenische Zusammensetzung mit Metropolis-Motiven in ihrem eigenen Original-Video löste Faschismus-Assoziationen aus, weshalb sich jetzt Taylors Lied im Musical als Hymne für die Bösen und Gleichgeschalteten eignet.
Dystopische Story mit der legendären Musik von Queen
Schwarze Schafe der Absolventen der Ga-Ga-Academy sind der Träumer Galileo-Figaro (Philipp Büttner) und die rebellische Scaramouche (Inga Krischke). Ihre Gegenspieler und Repräsentanten des Bösen sind der Kommandant der iPod-Polizei Kashoggi (John Leonard Davies) und die übermächtige Herrscherin Killer Queen (Linda Holmgren). Ihr kommt eine Prophezeiung zu Ohren, dass irgendwo auf dem Planeten Instrumente versteckt worden sind.
Ben Eltons Verdienst ist es, für jeden Queen-Hit einen passenden Musical-Kontext geschaffen zu haben. Anlässe gibt es viele, denn die Bohemiens kämpfen gegen das Killer Queen Regime. Sie wollen die frühere Meinungsfreiheit wiederherstellen, sie wünschen sich musikalische Vielfalt, und alle sollen wieder individuell musizieren dürfen.
Die Song-Auswahl entspricht in ihrer Abfolge dem bisherigen Plot
Die Neuinszenierung arbeitet verstärkt mit Lichtinstallationen und verschiebbaren Bühnenelementen. Die Song-Auswahl entspricht in ihrer Abfolge dem bisherigen Plot, aber die Rollen sind vielfach neu besetzt (mit entsprechenden Outfits) und von der Eindeutschung der Songtexte, wie sie bis vor einigen Jahren noch üblich war, hat man Abstand genommen. Nebst der Faszination, die von den Queen-Songs ausgeht beruht der Erfolg des Musicals auf den flexiblen Versatzstücken: In den verschiedenen Ländern und Sprachen wird deshalb seit zwei Jahrzehnten mit Namen, Songtiteln und manchmal sogar mit der Auswahl der Songs je nach nationalen Modeerscheinungen frei gespielt.
Ben Eltons Absicht ist es, die Show dadurch frisch zu halten, indem jedes Ensemble jeweils eigene Favoriten mit hohem Wiedererkennungseffekt nennt. Brian May und Roger Taylor ermutigen die Darsteller darin: "Brian May hat uns vor allem Spaß auf der Tour gewünscht. Wir sollen nicht allzu perfektionistisch sein. Es gehe schließlich um Rock'n'Roll. Die Musik ist der Star der Show", sagt Darstellerin Inga Krischke.
Brian Mays Gitarre als der heilige Gral
Seit zwei Jahrzehnten darf man bei jeder neuen Tour gespannt sein, wie die Bohemiens heißen: Beyoncé, Madonna, Amy Winehouse? Eddie Cochran, Paul McCartney, Bruce Springsteen? Aber auch bei tragenden Rollen ist vieles im Fluss: Jahrelang hieß hierzulande der Anführer der Bohemiens Bap (nach Wolfgang Niedeckens BAP). Heute ist es Udo (Lindenberg).
Der heilige Gral in WWRY ist Brian Mays Gitarre, die Red Special. Als Galileo sie am Ende in den Ruinen des Wembley Stadions entdeckt, versagen seine Messias-Qualitäten. Er kann nicht darauf spielen. Es schlägt die Stunde der wilden Scaramouche: Erst in weiblicher Hand erblüht das Instrument.
Für Musikpuristen findet die beste Show des Abends ohnehin im Verborgenen hinter der Bühne statt: Dort spielen live der seit vielen Jahren musikalische Leiter von WWRY Dustin Conrad (Keyboards), Rachel Murphy (Keyboards), Frankie South und Ryan Weber (Gitarren), Aidan Platts (Bass) und Danny Newell (Schlagzeug).
Bei großen Bühnen wie im Olympiastadion besteht die Möglichkeit, dass die gesamte Band bei den bombastischen Momenten der Zugaben zu sehen sein wird. Boom Boom Cha dröhnt es gegen Ende der Show und stehende Ovationen sind dem Ensemble Abend für Abend sicher.
"We Will Rock You - Das Musical von Queen und Ben Elton" gastiert vom 13. bis 17. April in der Münchner Olympiahalle, Karten ab 39.90 Euro unter muenchen.de/tickets. Queen & Adam Lambert spielen am 29. Juni in der Olympiahalle