Musical "Non(n)sense": Schwarzhumorige Klosterfrauen
München - Schwester Julia liebt es zu kochen, vorzugsweise nach Rezepten der Benedeiten Jungfrau Maria. Doch mit ihrer jüngsten Kreation hat sie kein Glück. Ganze 52 ihrer Schwesternkolleginnen überleben die Fischsuppe nicht. Mit dem Missgeschick geht der Orden fröhlich konstruktiv um. Schnell hat man das Geld für die Beerdigungen aufgebracht. Bloß vier Nonnen liegen noch in der Kühltruhe, aus der schon einmal ein tiefgefrorenes Bein auftauchen kann.
Auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters prangt ein schnuckeliges Varietétheater
Um kritischen Nachfragen seitens der Lebensmittelpolizei zuvor zu kommen, muss also das Budget für Grablegungen kurzfristig aufgestockt werden. Die Lösung liegt nahe: Man veranstaltet eine kassenträchtige Revue. Schließlich war Mutter Oberin einst ein Zirkusstar. So ergibt auch die Ausstattung von "Non(n)sense" Sinn: Auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters prangt ein schnuckeliges buntes Varietétheater inklusive "Halleluja"-Schriftzug (Bühne und Kostüme: Judith Leikauf/Karl Fehringer).
Ein Musical mit singenden Nonnen: Ja, das klingt wie "Sister Act", dem Filmerfolg der frühen 1990er Jahre. Doch die musikalische Komödie "Nunsense" des Amerikaners Dan Goggin, 1985 abseits des Broadways in New York uraufgeführt, kam nicht nur früher heraus als der Film mit Whoppi Goldberg. Das Musical, das nun zum ersten Mal am Gärtnerplatztheater als gestreamte Vor-Premiere gezeigt wurde, ist ungleich schwarzhumoriger. Und absurder.
Eigentlich sollte auch das Publikum einbezogen werden
Die Handlung besteht aus lose verbundenen Nummern: Launigen Ensembles, in denen die fünf Haupt-Nonnen frivol die Beine in die Luft werfen; einer Koch-Szene, für die ein unfassbar komplizierter Holzständer aufgebaut wird; einer Rückblende in Form eines slapstickreichen Stummfilms, zünftig untermalt vom sechsköpfigen, doch vielgesichtigen Ensemble mit Musikern des Gärtnerplatzorchesters unter der Leitung des pianistisch versierten Andreas Partilla.
Bei einem Quiz rund ums Thema Lepra würde eigentlich sogar das Publikum einbezogen werden. Gut, dass ein paar Mitarbeiter im Saal sitzen, denn für die Öffentlichkeit ist das Theater geschlossen - schließlich gibt es gerade ja auch im realen Leben viele Todesopfer zu beklagen.
Überraschenderweise stellt sich die Frage, ob man in Pandemiezeiten ein so makabres Spiel veranstalten darf, an keiner Stelle. Zwar schwankt die deutsche Fassung mit ihren vielen Kalauern gefährlich nahe am Rande der Wortspielhölle, und der Gag, dass in den Nonnen ständig ein sexueller Subtext hochsteigt, ist auch irgendwann durch.
Das Video ist noch bis Karsamstag aufrufbar
Doch im Ganzen funktioniert diese Produktion selbst über den medialen Umweg, weil der regieführende Staatsintendant Josef E. Köpplinger nie über die Klosterfrauen lacht, sondern immer mit ihnen. Am lustigsten ist es immer, wenn sich in ihnen unwiderstehlich das Showtalent regt (Choreographie: Ricarda Regina Ludigkeit).
Florine Schnitzel als Schwester Robert Anne schnallt sich ein Hawaii-Röckchen um den züchtigen schwarzen Habit und trällert eine Arie mit hinreißend schief angeschleiften Tönen. Eine geborene Komikerin ist auch Julia Sturzlbaum als gedächtnisschwache Schwester Maria Amnesia, die mit einem virtuosen Timing wie einst Otto Waalkes zwischen stiller Demut und comicartiger Gewaltbereitschaft schwankt und schließlich sogar eine Handpuppe herauszieht, die "bumsen" sagt.
Von der Jazz-Sängerin Tracey Adele Cooper als Schwester Maria Hubert und Frances Lucey als anrührend naiver Schwester Maria Leo hätte man gerne noch mehr gehört. Eine Klasse für sich ist wie immer Dagmar Hellberg als Schwester Oberin. Niemand kann einen Anfall von freudschen Versprechern so gut verkaufen, niemand singt so divenhaft, niemand hält ein Ensemble so nonchalant zusammen. Wenn man in einen Orden eintreten würde, dann in diesen höchstglamourösen.
Das Video steht nur noch bis einschließlich 3. April auf der Homepage gaertnerplatztheater.de. Termine für Vorstellungen gibt es derzeit nicht
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