Münchner Kammerspiele: Politisches Theater, die Weltlage immer im Blick

Was die Münchner Kammerspiele in der kommenden Saison planen.
von  Mathias Hejny
Barbara Mundel, die Intendantin der Kammerspiele, präsentiert das Programm vor Mitgliedern des Ensembles.
Barbara Mundel, die Intendantin der Kammerspiele, präsentiert das Programm vor Mitgliedern des Ensembles. © Judith Buss

Die dritte Spielzeit unter der Intendanz von Barbara Mundel beginnt mit einer alten Bekannten: Am 30. September ist Premiere von "Nora", aber Regisseurin Felicitas Brucker verlässt sich nicht auf Henrik Ibsen, den sehr männlichen Urheber dieser ikonografisch gewordenen Szenen einer Ehe. Sie bringt mit der Israelin Sivan Ben Yishai, der Österreicherin Gerhild Steinbuch und der Kroatin Ivna ic drei Autorinnen unserer Gegenwart in Stellung.

Münchens Kulturreferent ist stolz auf die Kammerspiele

Kulturreferent Anton Biebl zeigte sich bei der Präsentation der nächsten Saison "stolz" auf die Münchner Kammerspiele und ihr "politisches Theater mit der Weltlage im Blick". Zahlreiche Gastspiele und Teilnahmen an wichtigen Festivals wie in diesem Jahr "Like Lovers Do (Memoirern der Medusa)" beim Berliner Theatertreffen zeugten von der "überragenden Sichtbarkeit" des Hauses. Wer "wegweisendes Theater" suche, finde es in den Kammerspielen.

Regisseurin der nach Berlin eingeladenen Arbeit ist Pinar Karabulut. In der neuen Spielzeit wird die Hausregisserin "La mer sombre" nach Texten der französischen Schriftstellerin und Fotografin Claude Cahun (29. September) erarbeiten sowie im Winter die Uraufführung von "Das Erbe" von Nuran David Calis über Opfer des Brandanschlags 1992 in Mölln. Doch die Genderfrage im globalen Zusammenhang bleibt sowohl in der ersten Nummer des neuen MK-Magazins als auch auf dem Spielplan ein Themenschwerpunkt.

Produktion mit Partner in Togo

Die als "Meditation" angekündigte Ibsen-Zubereitung zur Spielzeiteröffnung gehört zu einem Doppelprojekt des Teams um Felicitas Brucker. Die andere Hälfte ist "Die Freiheit einer Frau", ein Roman von Edouard Louis. Im Februar folgt "Antigone" des Sophokles unter der Regie von Nele Jahnke als inklusives Projekt und im April gedenkt Jessica Glause im "Female Peace Palace", mit der "Séance über pazifistische Pionierinnen" einer weiblich besetzten Friedenskonferenz in Kopenhagen im Jahr 1915.

Viele Kammerspiel-Produktionen entstehen mit Partnern. Ganz besonders weit weg ist La Fabrik in Lomé, der Hauptstadt von Togo. Regisseur Jan-Christoph Gockel und Choreograf Serge Aimé Coulibaly erzählen parallel in Oberbayern und Westafrika von der fiktionalen Heimkehr einer Prinzessin aus dem zwölften Jahrhundert in ihre Heimat Togo ("Les statues revent aussi", 15. Oktober). In "Joy 2022" (7. Oktober), inszeniert von Michael Vandervelde sowie produziert mit den Wiener Festwochen, geht es um das Eine: Sexualität im Laufe der Zeit, speziell seit den 1960er-Jahren.

Im Dezember gibt es eine 24-Stunden-Performance

Zusammen mit dem Steirischen Herbst in Graz inszenieren Nat Randall und Anna Breckon die 24-stündige Performance "The Second Woman" (Dezember). Mit 100 wechselnden Partnern spielt Wiebke Puls ebenso oft eine Szene aus "Opening Night" von John Cassavetes. Während der Film mit Gena Rowlands aus dem Jahr 1977 ist, kümmert sich Emre Akal in seiner "Göttersimulation" (5. November) ganz heutig um die Wechselwirkungen von Animation und Realität.

Luis Krawun geht ein Stück weiter in die mediale Zukunft und erzählt im Frühjahr 2023 voll digitalisiert vom "Planet Magnon". Die Computeranimation soll nicht im Kino oder auf dem heimischen Rechner betrachtet werden können, sondern ausschließlich im Schauspielhaus an der Maximilianstraße.

Etwas traditioneller wird es vermutlich an gleicher Stelle im Januar zugehen, wenn der Schweizer Rüedi Häussermann "A scheene Leich" begeht. Chefdramaturgin Viola Hasselberg versprach eine richtige Blasmusik, aber Gerhard Polt und die Well-Brüder werden sicherlich verhindern, dass das Begängnis allzu griabig geraten wird.

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