Mozarts Requiem als Pferdeballett

Schöne Frauen, schöne Pferde: Die Mozart-Woche in Salzburg eröffnet mit einer szenischen Version des Requiems in der Felsenreitschule
von  Robert Braunmüller
Der Dirigent Marc Minkowski mit dem Choreografen Bartabas (re.).
Der Dirigent Marc Minkowski mit dem Choreografen Bartabas (re.). © Matthias Baus/ISM

Als ich vor einiger Zeit Freunden erklärte, ich wolle mir in Salzburg die Aufführung von Mozarts Requiem als Pferdeballett ansehen, bekam ich einiges zu hören: So weit sei die Mozartwoche schon heruntergekommen. Ein Schmarrn. Ein Event. Und bei einem geistlichen Werk seien Viecher wirklich unmöglich.

Das Bilderverbot des Alten Testaments wirkt nach, der Theaterhass der Kirchenväter ebenfalls. Auch die Mozartwoche verspürte offenbar einigen Gegenwind: Ein kluger Artikel über Tanz und geistliche Musik eröffnet mit abendländischer Perspektive das Programmheft. Und das Interview mit dem Dirigenten und Pferdenarren Marc Minkowski liefert dem geneigten Leser vor Beginn der Aufführung in der Felsenreitschule vorsichtshalber weitere Argumente für ein gerittenes Mozart-Requiem.

Dann wird es dunkel. Der Salzburger Bachchor singt in den in den Fels geschlagenen Arkaden ein frühes „Miserere“. Auf der Bühne dreht sich ein Rappen mit dem immer etwas grimmig dreinschauenden Herrn Bartabas, dem Chef der Académie du spectacle équestre du Versailles. Der zieht immer wieder sein schwarzes T-Shirt hoch und geißelt mit den Armen seinen Rücken.

Vieles kommt einem spanisch vor

Der barocke, spanische Katholizismus liefert auch später optische Leitmotive: reitende, geflügelte Skelette und die hohen, spitzen schwarzen Hüte der Karfreitagsprozessionen. Vor dem Requiem erklingt noch die Einleitung Georg Friedrich Händels Funeral Anthem, das Mozart nach Minkowskis Ansicht im Introitus zitiert.

Dazu werden Schimmel hereingeführt. Die Reiterinnen hängen erst wie Tote über dem Sattel, dann richten sie sich auf. Sie reiten im Kreis, bilden einfache Formationen. Das Tempo orientiert sich an der Musik. Und fast so wichtig wie die Pferde sind die langen Haare der jungen Damen, die sehr wirkungsvoll im Reitwind flattern.

Schöne Frauen, schöne Pferde. Und Äpfel.

Es ist ein sehr französischer Abend mit luxuriöser, polierter Oberfläche. Man sieht, frei nach einem Wort des Filmregisseurs Claude Charbrol, schönen Frauen zu, die schöne Dinge tun. Wer möchte was dagegen haben? Die Musik kommt dabei durchaus zu ihrem Recht: Der schlank singende Chor und die Musiciens du Louvre kultivieren den düsteren, von Posaunen und Bassetthörnern geprägten Klang des Requiems. Und die Felsenreitschule fügt genau die dosierte Spur Kirchenhall hinzu, die diese Musik braucht.

In der Stille vor dem Sanctus wälzt sich im Halbdunkel ein Rappe mit glänzendem Fell auf dem Boden. Das ist ein starkes Bild. Aber das Erhabene und das Banale sind sich nah: Vorher ist diskret jemand auf die Bühne geschlichen, um die Pferdeäpfel zu entsorgen.

Am Schluss das "Ave Verum"

Irgendwann erschöpft sich die Pferde-Choreografie. Sie illustriert eher brav den Bewegungsimpuls. Sie stört nicht, sie tut auch niemanden weh, weil Kontrapunkte zur Musik sehr respektvoll vermieden werden. Das Requiem nimmt keinen Schaden, und als Fragment, an dem sehr viele Leute herumgedoktert haben, hält es auch eine ganze Menge aus.

Dann verlässt Marc Minkowski seinen Dirigenten-Jägerstand am Rand der Spielfläche. Ein paar Sänger treten zu den Pferden. Mit den Reitern singen sie Mozarts „Ave verum“. Die Stimmen der Laien färben den Gesang silbrig wie ein Knabenchor. Das ist dann, am Ende, ein zu Herzen gehender Augenblick nach viel kalter Kunstfertigkeit.   

Wieder am 29. Januar, 15 Uhr, 31. und 3. Februar um 20 Uhr in der Felsenreitschule. ORF 2 sendet am 13. März um 9.30 Uhr eine Aufzeichnung, Arte am 12. August. Infos zu den Mozartwochen 2017 und 2018 unter www.mozarteum.at

 

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