Moses Wolff im AZ-Interview: "Hochdeutsch ist eh Quatsch"

Poetry Slam nur mit Künstlern, die Dialekt sprechen - dieses Experiment beginnt am Mittwoch in München.
Anja Perkuhn |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Moses Wolff spricht selbst Westmünchnerisch.
Veronika Kayser Moses Wolff spricht selbst Westmünchnerisch.

Beim Mundart-Slam "Wer ko, der ko" im Hofspielhaus darf jede Form des gesprochenen Wortes auf der Bühne präsentiert werden. Ob Verse, Dialoge, Beobachtungen, Rap-Sprechgesang, Kurztexte oder Schüttelprosa - Hauptsache, es findet in bairischer Mundart statt. Wie es sich beim Poetry Slam gehört, entscheidet das Publikum über den Sieger des Abends. Veranstalter sind Ko Bylanzky und Moses Wolf. Zeit für ein Gespräch über Dialekte.

AZ: Oha, in Ihrer Mailbox-Nachricht auf dem Handy sprechen Sie ja Sächsisch! Klingt fast authentisch.
MOSES WOLFF: Ja klar! Es kann außer mir keiner perfekt Sächsisch in Bayern. Ich habe schließlich sächsische Vorfahren, genau wie Karl Valentin.

Wann haben Sie sich das letzte Mal richtig Mühe gegeben, Hochdeutsch zu sprechen?
Da muss ich mir keine Mühe geben, ich kann einfach umschalten. Das muss ich ja zum Beispiel bei Filmen, wenn ich keinen Bayern spiele. Aber Hochdeutsch als Solches ist eh Quatsch: Selbst in Hannover, wo sie behaupten, sie sprechen reines Hochdeutsch, sagen sie Sachen wie "Wie spät ist das?" Ich glaube, dass es überall nur Dialekte und Mundart gibt.

"In Bayern wohnen alle Völker der Welt"

Wie würden Sie Ihren eigenen Dialekt nennen?
Ich red Münchnerisch. Ich bin ja in München aufgewachsen, in Pasing, also rede ich relativ west-münchnerisch.

Sie hören Unterschiede im Münchnerischen?
Na sicher! In Pasing sagen wir "I kimm", der Konstantin Wecker zum Beispiel, der aus der Au kommt, direkt an der Isar, sagt "I kumm".

Es heißt ja regelmäßig, das Bairische stirbt aus. Gibt es zu wenig Dialekt in München?
In Bayern wohnen ja alle Völker der Welt, deshalb wird es so wahrgenommen. Aber gerade in Randbezirken von München oder im bayerischen Landesinnern reden fast alle Dialekt. Ich glaube nicht, dass das ausstirbt. Es wird ja gepflegt.

Zum Beispiel bei Ihrem neuen Mundart-Slam. Wie kamen Sie auf die Idee?
Wir hatten einfach Lust, was zu machen, das die Idee Slam ein bisschen eingrenzt. Es gibt so viele schöne bairische Dialekte: Oberpfälzisch, Mittelfränkisch, Augsburger Schwäbisch... Und wir kennen so viele Bühnenkünstler, die diese Dialekte sprechen können. Wir haben uns dann relativ viel Zeit gelassen mit der Vorbereitung, haben uns in der Szene umgehört, ob die Leute Lust haben, mit Dialekt aufzutreten.

Wo ist denn für Sie der Unterschied zwischen Mundart und Dialekt?
Das sind schon Synonyme für sprachlich gewachsene regionale Redearten.

"Ich hab sicherlich 300 Dialekttexte"

Teresa Reichl aus Regensburg zum Beispiel, die Sie beim Slam heute dabei haben, rollt das R - aber verwendet keine bayerischen Worte. Das reicht?
Wir haben den Künstlern gesagt: Wenn ihr euch einen Text extra für diesen Slam überlegt, wäre das schön. Aber sie spricht ja auch sonst Bairisch: In ihren Texten steht wahrscheinlich "Ich möchte gerne heimgehen" und sie sagt "I mog gern hoamgeh". Viele Poeten haben ihre Texte auf Schriftdeutsch vorliegen, damit sie für alle zugänglich sind, aber sprechen sie anders. Ich schreibe alle meine Texte in Mundart.

Ihr Slam-Mitveranstalter Ko Bylanzky spricht dialektfrei. Haben Sie das angesprochen?
Er hat ein sehr gutes Gehör für bairische Dialekte und ein gutes Sprachgefühl. Und bei den Künstlern, die bei uns auftreten, sind wir uns bei jedem sofort einig gewesen. Es ist außerdem ein sehr schöner Kontrast: Ich verkörpere den bayerischen Menschen, er den Slam als solches. Und ich lese bei jedem Slam auch selbst einen Text vor dem Wettbewerb - ich hab ja sicherlich 300 Dialekttexte.

In denen machen Sie auch Berlinerisch nach, reden Deutsch mit indischem Akzent oder Sächsisch. Welchen mögen Sie am meisten?
Englisch mit griechischem Akzent. Auch, weil mich so die Griechen in Griechenland besser verstehen.

Schwäbisch und Sächsisch - eine schwierige Mischung

Welcher ist am schwersten?
Für mich: Schwäbisch, wenn ich kurz vorher Sächsisch geredet habe. Das vermischt sich dann so und ich krieg's schwer sauber hin. Oder Saarländisch.

Darf bei Ihrem Mundart-Slam denn auch jemand mit einem anderen Dialekt mitmachen?
Nein. Aber wenn es eine Weile gut läuft, kann man vielleicht mit anderen Bundesländern ein kleines Festival machen.

Na denn man tau. Verstehen Sie eh, oder?
Ja. Ich verstehe auch "Hummel, Hummel - Mors, Mors".

Bitte was?
Eine Hamburger Redensart.

Und was heißt das?
Das ist eine Art Seefahrergruß. Aber das würde zu weit führen.


Der Mundart-Slam "Wer ko, der ko":
Hofspielhaus, Mittwoch, den 7.02.2018 um 20 Uhr; Eintritt 18 Euro

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.