Mit "Tannhäuser" in Japan
Die Staatsoper tourt durch das dauerkrisengebeutelte Japan und beendet das Gastspiel mit „Tannhäuser“ in Tokio
Die goldenen Zeiten sind in Japan vorbei. Seit einigen Jahren stockt die Wirtschaft in dem Land. Die furchtbare Katastrophe von 2011 mit Erdbeben, Tsunami und atomarer Kernschmelze hat diese Entwicklung beschleunigt. Auch Orchester und Opernhäuser aus dem Ausland, die nach Japan touren, sind davon betroffen: so jetzt die Bayerische Staatsoper mit Kirill Petrenko. Solche Operntourneen sind besonders teuer, was sich auf die Kartenpreise auswirkt. Als jetzt in Tokio der „Tannhäuser“ von Richard Wagner aufgeführt wurde, in der Neuproduktion von Romeo Castellucci, lagen die günstigen Karten bei 130 Euro. Für besonders gute Sitzplätze musste man 500 Euro blechen: Preise „wie in Salzburg“, räumt Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler im Gespräch ein. „Die Menschen wollen und können nicht mehr viel Geld ausgeben“, bestätigen Veranstaltungsmanager wie Mariko Itaka von „Japan Arts“.
Laut Itaka kommt erschwerend hinzu, dass viele Konzertbesucher irritiert sind. Manche Ensembles hatten nämlich 2011 wegen der Katastrophe ihre Tourneen abgesagt. „Wir konnten die Beweggründe verstehen, trotzdem waren wir sehr traurig und enttäuscht. Äußerst enttäuscht sogar.“ Ob das Auswirkungen hat? „Vielleicht in einem Teil des Publikums. Japaner haben ein gutes Gedächtnis. Umso dankbarer sind wir all jenen, die damals trotzdem gekommen sind. Unsere Gefühle für diese Künstler sind stärker geworden.“ Das gilt zumal für die Bayerische Staatsoper. Sie zählte seinerzeit zu den ersten, die nach Japan reisten: nur wenige Monate nach der Katastrophe. Von dieser Solidarität konnte die Truppe aus München jetzt durchaus profitieren.
Angepasste Wirkungen
Jedenfalls war die große Halle des öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Senders NHK besser gefüllt als erwartet, trotz der saftigen Kartenpreise. Rund 3600 Besucher passen in den Saal, eine Zahl, die erst einmal erreicht werden will. Überdies ist die Bayerische Staatsoper dem Veranstalter entgegengekommen. So mischten in Tokio einige Komparsen und Techniker aus Japan mit, die nicht eingeflogen werden mussten. Noch dazu wurde die Inszenierung Castelluccis „angepasst“, wie es Bachler formulierte. Tatsächlich war die Adaption schon wegen der anderen Bühnenverhältnisse in Tokio notwendig. Im Vergleich zum Nationaltheater ist die NHK-Bühne kürzer, hat also eine geringere Tiefe.
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Schon im ersten Akt schienen die Venus (Elena Pankratova) und der Venusberg weitaus reduzierter. Auch agierten weniger Bogenschützen, und im zweiten Akt fehlte eine Reihe der kreisrunden weißen Vorhänge. Das lebendige Pferd wurde hingegen durch eine Projektion ersetzt. Sonst aber betonten Bachler und sein Team, dass szenisch nichts verändert worden sei. Gleichwohl war die Wirkung eine andere.
Mattere Besetzung
In Tokio wirkten die Szenerien wohltuend straffer und konzentrierter, mit weniger Klimbim: ein großer Pluspunkt. Zugleich waren viele Details besser zu erkennen als am Münchner Nationaltheater. Im Vorfeld konnte Bachler nicht wissen, dass die Produktion aufwendige Umbauarbeiten erfordert. Als das Gastspiel geplant wurde, hatte Castellucci seinen „Tannhäuser“ noch nicht vollendet. Dafür aber hatte Bachler ästhetisch einen guten Riecher. Mit ihrer Abstraktion, Choreographie und symbolischen Bildersprache wirkte die Inszenierung in Tokio wie eine moderne Übersetzung des No-Theaters aus Japan. Trotzdem fiel der Schlussapplaus verhalten aus, obwohl die Japaner bekannt sind für ihren Enthusiasmus. Dies könnte der finalen Verwesungsshow geschuldet sein, in der die Körper von Tannhäuser und Elisabeth zu Staub verfallen.
Zugleich konnte die Besetzung in Tokio nicht derart glänzen wie in München. Als Elisabeth entwickelte Annette Dasch nicht dieselbe Präsenz wie Anja Harteros. Im Vergleich zu Christian Gerhaher wirkte überdies das Timbre von Matthias Goerne als Wolfram recht matt.
Umso größer war der Beifall für den Tannhäuser von Klaus Florian Vogt. Die Sieger aber waren Petrenko und das Bayerische Staatsorchester: In Tokio wurden sie wie Helden gefeiert.