Mit „Hundun“ und „The Navidson Records“ in die zweite Runde

Die Installationen „Hundun“ und „The Navidson Records“ bei der Biennale für Neues Musiktheater
Es geht durch ein enges Zimmer, in dem frische weiße Farbe eimerweise herumsteht. Dann wird eine Gipskartonwand durchgetreten. Dahinter befinden sich andere Räume mit seltsamen Gestalten, Objekten und Instrumenten. Auf einem Tisch liegen alte Musikkassetten und eine Partitur. Fragt man einen der Mitwirkenden, wann und wo dieses Stück zu hören sei, führt der einen in ein anderes Zimmer, in dem ein Zelt und Mikrofone stehen.
Wer nach mir kam, mag das Chorstück von Rosalba Quindici vielleicht gehört haben. Aber möglicherweise ist die Komponistin auch eine Erfindung. Später stellen sich die jungen Damen im Fatsuit hinter ein Schlagzeug. Aber sie spielen die Instrumente nur an, ohne etwas aufzuführen.
Interview mit den künstlerischen Leitern Daniel Ott und Manos Tsangaris
„The Navidson Records“ nennt sich „Ein Musiktheater als Installation“. Als Grundlage dient der postmoderne Horror-Roman „The House of Leaves“ von Mark Z. Danielewski. Wer das weiß, versteht die kryptische Aussage eines Verantwortlichen am Eingang besser, die seltsamen Leute im Lothringer13 hätten nur noch bis Mitternacht zu leben.
Aber man muss das nicht wissen. Die Musiktheater-Installation spielt Grundfragen aller darstellenden Künste durch: Was ist Komposition, was Improvisation? Was ist Realität, was Illusion? Im Obergeschoß spricht eine Regisseurin über ihr Studium an einer Musikhochschule. Es könnte ein echtes Interview sein, dem die Damen zuhören, aber auch eine unterspielt aufgeführte Szene. Ein anderer Besucher unterhält sich später privat mit der Interviewten, ohne zu wissen, dass sie bei der Aufführung mitwirkt.
Im Spiegel wieder Spiegelungen
Der Zuschauer schaut im übertragenen Sinn in einen Spiegel, der sich selbst ins Unendliche spiegelt. Wenn man der beim Eingang ausgegebenen Regel folgt, dass hinter jede Tür geschaut werden darf, kann es einem passieren, dass man zufällig in einem Keller landet. Der Raum voller Requisiten und Gerümpel gehört offenbar nicht zu „The Navidson Records“, aber es mag auch sein, dass dieser Eindruck trügt.
Alles, was sich ereignet, bleibt ein Versprechen auf etwas, was vielleicht erst passiert ist, nachdem man die Lothringer13 wieder verlassen hat. Jeder Zuschauer wird „The Navidson Records“ anders erleben. Neben dem kreativen Prozess auch den Widerspruch zwischen der Wiederholbarkeit einer Aufführung und der Einmaligkeit jedes persönlichen Eindrucks. Das alles ist weder neu noch einmalig, aber es wird schlüssig vorgeführt.
Unweigerlich drängt sich der Vergleich mit „if this then that and now what“ vom Samstag auf: „The Navidson Records“ macht deutlich, dass sich die offene Form einer Installation, in der jeder Zuschauer herumgehen, nachdenken und über die Dauer seiner Anwesenheit frei entscheiden kann, für die postmoderne Reflexion viel besser eignet als das gute alte Frontaltheater mit festem Anfang und Ende.
Die AZ über "Sweat of the Sun" und „if this then that and now what“
Die zweite Installation der Musiktheater-Biennale ist im Vergleich dazu ein Langweiler. In „Hundun“ von Judith Eggers und Neele Hülcker streicheln zwei Damen mit Mikros und einem Ultraschallgerät einen Monsterkopf aus Schaumstoff, Stroh, Gras, Blättern und einem alten Schneebesen. Es soll laut Gebrauchsanweisung als Warnung verstanden werden, die Verbindung zum Tao nicht zu verlieren. Wer allerdings für östliche Spiritualität unmusikalisch ist, hört über Funkkopfhörer nur sechzig Schattierungen von grauem Rascheln. Und das ist für eine halbe Stunde Lebenszeit doch zu wenig.
„The Navidson Records“, bis 3. Juni, Lothringerstraße 13, 18 bis 24 Uhr, Einlass alle 30 Minuten, 18 Euro, „Hundun“, bis 9. Juni, 18 und 18.30 Uhr, Eintritt frei