Mit Herz und Hirn

Am Freitag treten auf dem Platz vor dem Nationaltheater Verdi und Wagner zum Duell an – das Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht
von  Robert Braunmüller

Pep Guardiola ist beim FC Bayern eingetroffen – unübersehbar für jeden Leser unserer Zeitung. Da darf die Kultur nicht beiseite stehen. Auch die Bayerische Staatsoper holt sich mit Carlus Padrissa ihren Katalonen: Er trainiert Verdi und Wagner für das Champions-League-Finale der Musik am Freitag. Da treten Verdi und Wagner samt anfeuernden Mannschaften auf dem Max-Joseph-Platz gegeneinander an.

„Schuld sind die Mütter, die im gleichen Jahr zwei Genies geboren haben“, sagt Padrissa, ein Mitbegründer der Truppe La Fura dels Baus. Heuer wird der 200. Geburtstag beider Komponisten allerorten gefeiert – mit Neuinszenierungen wie dem „Troubadour“ an der Bayerischen Staatsoper. Der handelt von feindlichen Brüdern – und so entschädigt das für jedermann kostenlos zugängliche Spekakel auch gut für die resttlos ausverkaufte Premiere.

Wer schon jetzt Partei ergreifen will, kann das im Internet tun – und bekommt einen geheimen Treffpunkt verraten. Weniger online-affine Menschen sollten sich am Freitag gegen 20.30 Uhr am Platz vor der Oper versammeln, wo die beiden von Musikkapellen aus Bayern und Südtirol begleiteten Prozessionen mit den Riesenfiguren beider Komponisten zusammentreffen.

Wer mit seiner Bekleidung Farbe bekennnen will: Rot steht für Verdi, Blau für Wagner. Anhänger von Bach oder Meyerbeer dürfen aber auch neutral bleiben: in Schwarz. Die Internet-Abstimmung steht derzeit 60 zu 40 für Verdi – weil der nach Angaben der Staatsoper symbolisch für das Herz steht, sein Konkurrent für das Hirn.

Ist München keine Wagner-Stadt mehr? Für Staatsopernchef Nikolaus Bachler ist die derzeitige Mehrheit für Verdi eher ein Indiz dafür, dass sich Menschen ungern als Intellektuelle outen und es derzeit für eine Tugend gehalten wird, emotional zu sein. Padrissa glaubt, dass die Abstimmung in Spanien umgekehrt ausfallen würde: Seine Landsleute lieben Wagner – als Ausgleich, weil sie so emotional sind. Und er weiß noch ein aufschlussreiches Detail: Der Hirnmensch Wagner starb an einem Herzinfarkt, während Verdi an einem Schlaganfall verschied.

Für Bachler ist das Spektakel eine doppelte Rückkehr zu den Wurzeln: Padrissa und seine Truppe kommen vom Straßentheater, ehe sie die großen Bühnen eroberten. Und die Staatsoper liebäugelt am Freitag mit Urformen des Theaters, wenn es auf den Platz hinausgeht – was wegen des bürgerlichen Kreisverwaltungsreferats allerdings nicht mehr ganz so einfach ist wie zu den Zeiten von William Shakespeare und Molière.

Padrissa, der an der Staatsoper „Turandot“ und „Babylon“ inszenierte, hofft kühn, dass aus der Aktion neues Volksfest entsteht. Und sein Optimismus kommt nicht von ungefähr: Er hat gerade zum 100. Geburtstag des Opernfestivals in der Arena di Verona „Aida“ inszeniert – es entstand aus einer einmaligen Aufführung der Oper zum 100. Geburtstag Verdis Anno 1913 und lebt bis heute weiter.

Da muss also am Freitag nur noch das Wetter mitspielen.

Max-Joseph-Platz, Freitag, 28. Juni, 20.30 Uhr. Auf www.staatsoper.de kann man Partei für einen der Komponisten ergreifen

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