Michael Volle über Rossinis "Guillaume Tell"
Trara-trara-traratratra – den Schweizer Geschwind- und Siegesgalopp aus der Ouvertüre kennt jeder. Wie’s weitergeht, lässt sich am Samstag am Max-Joseph Platz erfahren: Die Bayerische Staatsoper überträgt die Premiere von Gioachino Rossinis „Guillaume Tell“ auf den Max-Joseph-Platz. Michael Volle singt die Titelrolle.
AZ: Herr Volle, jeder kennt den Schluss der Ouvertüre, was kommt danach?
MICHAEL VOLLE: Große Chorszenen und eine Musik, die tiefgründiger, romantischer und lyrischer ist als Rossinis „Barbier von Sevilla“. Der Tenor hat 19 hohe Cs zu singen, auch die Rolle der Sopranistin ist sehr fordernd. Fans von Spitzentönen und von Adrenalin-Ausschüttungen kommen auf ihre Kosten.
Und was macht der Tell?
Der ist natürlich die Titelpartie, aber er singt wenig. Tell hat vor dem Apfelschuss eine Arie mit einem Cello-Solo. Sie ist wunderschön, aber kurz. Tell ist anfangs sehr gradlinig, fast demagogisch in seinen Zielen, aber wenn es an seine Gefühle geht, dann bricht er zusammen. Das macht die Rolle interessant.
Warum muss Tell eigentlich auf den Apfel schießen?
Der Tyrann Gessler stellt ihn vor die Wahl: entweder ich verhafte dich oder du schießt den Apfel vom Kopf deines Sohnes herunter.
Schießen Sie wirklich?
Warten Sie ab! Ich ziele ins Publikum. Dann ist Pause, die Auflösung kommt danach.
Wie viel hat Rossinis Oper mit Schillers „Tell“ zu tun?
Ich habe das Theaterstück jetzt wieder gelesen und war begeistert von der starken Sprache Schillers. Die Handlung ist stark ausgedünnt – wie in Verdis „Luisa Miller“ nach „Kabale und Liebe“. Dafür ist Tell in der Oper anders als im Drama beim Rütli-Schwur dabei.
In „Tell“ geht es um den Tyrannenmord. Ein noch immer aktuelles Thema.
Ich bin Kriegsdienstverweigerer. Bei der Verhandlung wurde mir die Frage gestellt, ob ich mit der Flak auf ein Flugzeug schießen würde, um eine Stadt zu retten. Darf man jemand umbringen, um ein Volk zu befreien? Kehrt mit der Freiheit wirklich Frieden ein? Das ist eine Frage, die sich heute wieder in Syrien oder Ägypten stellt. Deshalb verzichtet die Inszenierung von Antú Romero Nunes auch auf jede Postkartenromantik. Es gibt keine Berge, keine Romantik, höchstens Fackeln.
Woher kommt der Regisseur?
Er stammt aus Tübingen – als Sohn eines portugiesischen Vaters und einer chilenischen Mutter. Nunes ist erst 30 Jahre alt. Er hat am Thalia Theater Hamburg einen sehr erfolgreichen Improvisations-„Don Giovanni“ gemacht, der „Guillaume Tell“ ist seine erste Oper. Er war perfekt vorbereitet – es war eine sehr angenehme Arbeit.
Denken Sie während der Aufführung daran, dass Sie auch für den ganzen Max-Joseph-Platz singen?
Ich hoffe, dass es sich die Leute draußen mit einer Brotzeit gut gehen lassen. Von „Oper für alle“ mit „Eugen Onegin“ bei den Festspielen 2008 weiß ich noch: Drin bekommt man davon nicht viel mit: Ich konzentrierte mich auf die Musik und vergesse das Drumherum. Allerdings kann sich diesmal niemand auf der Welt Rossinis „Tell“ entziehen: Er wird nach draußen übertragen, läuft auf BR Klassik und mit Bild als Livestream im Internet.
Gibt’s noch was, das man wissen sollte?
Nicht erschrecken! Die Ouvertüre kommt. Nur nicht da, wo sie eigentlich sein sollte.
Die Premiere am Samstag, den 28. Juni 2014 wird auf eine Großbildleinwand auf den Max-Joseph-Platz übertragen.