Michael Altinger und "Die letzte Tasse Testosteron"
Der Titel lässt keinen Zweifel: Es wird um Männlichkeit gehen an diesem Abend, um geballte, konzentrierte, nicht nur positiv konnotierte. Um Rollenbilder von gestern und ihr Wiederaufleben im Heute. Wann ist Mann ein Mann? Das fragte sich Herbert Grönemeyer schon 1984, inzwischen ist einiges passiert. Oder? Männer machen Yoga. Männer trinken alkoholfreies Augustiner und nehmen Elternzeit. Oder? Der Kabarettist Michael Altinger ist nicht der einzige, der gerade wieder eine längst in die Jahre gekommene Männlichkeit am Horizont dämmern sieht. Und so widmet er sein neues Programm, das nun im Lustspielhaus Premiere hatte, der vermeintlichen Wurzel allen Übels, dem Männlichkeits-Hormon Testosteron.
Hat Testosteron die Welt geformt, wie sie jetzt ist?
"Die letzte Tasse Testosteron" nennt er den Abend, den er mit seinem Gitarristen Andreas Rother bestreitet. Und jene Tasse steht von Anbeginn auf einem Stehtisch am Rande der Bühne. Eine kleine weiße runde Kaffeetasse. Ziemlich unscheinbar dafür, dass sich nun zwei Stunden lang alles um sie drehen wird. Und leider erschließt sich auch nicht wirklich, was hier eigentlich der Dreh ist. Altinger legt zwar wirklich fulminant komische Tanz- und Songperformances hin und entblättert ein heiteres Panorama verirrter Männlichkeiten, die eine grundlegende Frage aber beantwortet er nicht: Warum sollte einer mittels Granatapfelsaft, Ingwer, Schlaf und Sport Testosteron erzeugen, es in eine Tasse abfüllen, um es dann - unbedingt vor 22 Uhr! - zu trinken?
Altinger blickt zurück in die Menschheits- oder Männlichkeits-Geschichte, in das "große Buch der Strunzenöder". Dort findet er all die historischen Altingers, seine Vorfahren, die allesamt ihr Testosteron getrunken und die Welt so geformt haben, wie sie heute eben ist. Galileo Altinger zum Beispiel, der die Welt in eine Kugel umgeknetet hat, oder der Wikinger Altingerson, der nach seiner Tasse die Berge in Norddeutschland abgebaut hat und dafür verantwortlich zeichnet, dass es dort jetzt so fad ist. Er nun sei der letzte Altinger, verantwortlich für den Fortbestand - von was eigentlich? Der Tradition? Der ungebremsten Männlichkeit? So ganz klar wird das alles nicht.

Altinger mimt den reitenden Cowboy im Ledermantel, der sich die Welt oder Bayern untertan und wieder "great" machen will; probiert sich als Michelangelos David aus und als alter weißer Mann, der er nun überhaupt nicht sein will. Dann schon eher "linksgrün versiffter Best-Ager", der beim weiblichen Publikum nach eigener Schätzung zu 60% "sofortige Paarungsbereitschaft" hervorruft. Ja ja, es ist so ein Ding mit dem Ego und definitiv "a long way to find your Bestimmung" - und dieser Abend ist wohl zu kurz dafür.
Zeitweise heiter, zeitweise aber auch recht bemüht
Altinger streift all die Männer, die zum Vorbild wenig taugen und trotzdem für nicht wenige wieder welche sind. Trump, Musk, Söder. Aber auch den Mann aus der Nachbarschaft, der seine Frau loswerden will, es aber extrem uncool findet, dass sie anschließend mit ihrem Neuen viel glücklicher ist.
Er beobachtet die gekränkte Männlichkeit scharf, erzählt lustige Geschichten und stellt kuriose Zusammenhänge her, verliert sich aber auch immer wieder in logischen Sackgassen wie den Geschlechterrollen der Urmenschen oder den nervenden Nachbarn, die überhandnehmen. Immer wieder kommt er vom Kleinen zum Großen; vom Blick über den Gartenzaun zu aggressiven Nachbarn in Europa; von der Bundeswehr, die für viele Generationen Männer ein bezahlter Abenteuerspielplatz war, zur aktuellen Bedrohung.
Und ja: Sehr viel von dem Grauen ist männergemacht, ein Grundzusammenhang ist also schon da. So ganz stringent und logisch ist das alles dennoch nicht. Zeitweise heiter, zeitweise aber auch recht bemüht. Und hie und da schleicht sich auch ohne Zusatz-Testosteron ein Hauch Chauvitum ein. So ein Matriarchat ohne Männer beispielsweise wäre doch auch "arschfad", verkündet er.
Altinger selbst will sich durch jene Tasse also in den Mann verwandeln, der "schon immer in ihm schlummerte". Ob das nun Kai Pflaume ist oder Donald Trump? Das ist hier die Frage.
Immer wieder greift er nach nach der Tasse, immer wieder stellt er sie ab. Am Ende ext er sie. Und? Alles wie gehabt. Nix passiert.
Die Moral von der Geschicht? Testosteron muss nicht in Tassen abgefüllt werden. Es wohnt dem Manne inne. Wie auch die Sehnsucht nach Liebe. Ob er will oder nicht.