Meese und Bushido - Verfassung und Geschmacklosigkeit
Was darf Kunst? Ob nun Rapper Bushido mit schwulenfeindlichen Parolen und Tötungsfantasien für Empörung sorgt oder Skandal-Künstler Jonathan Meese, der wegen eines Hitlergrußes in Kassel angeklagt wurde und gegen den auch in Mannheim wegen Volksverhetzung ermittelt wird – die Grenzen zwischen Kunst und strafbarem Handeln sind nicht immer klar.
„Kunstfreiheit hört da auf, wo Rechte anderer schwerer wiegen“, sagt der Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann. Bei Beleidigungen von Politikern, wie sie Bushido vorgeworfen werden, könne das Persönlichkeitsrecht verletzt sein. Der Hitlergruß von Meese greife den Staat an.
Doch ist das strafbar? „Es kommt im Einzelfall auf den Zusammenhang an“, betont Schwartmann. Denn Provokation gehöre zur Natur der Kunst. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzte Bushidos Song als gefährdend für Minderjährige vorläufig auf den Index. Das Gremium gab damit dem Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit. In dem Lied werden Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit,, der FDP-Bundestagsabgeordnete Serkan Tören, Oliver Pocher und Grünen-Politikerin Claudia Roth derb beleidigt.
Meese hatte im Juni 2012 in Kassel in einem Gespräch zum Thema „Größenwahn in der Kunst“ die „Diktatur der Kunst“ gefordert und den Arm zum Hitlergruß gehoben – der Prozess vor dem Amtsgericht begann gestern. Meese provoziert seit Jahren immer wieder mit dem Hitlergruß.
„Was ich auf der Bühne und im Namen der Kunst mache, ist durch die Kunstfreiheit im Grundgesetz gedeckt“, sagt der Maler und Installationskünstler, der 2016 bei den Bayreuther Festspielen Wagners „Parsifal“ inszenieren soll. Auch vor wenigen Wochen in Mannheim hob er bei einer Aufführung permanent den Arm, beschmierte eine Alien-Puppe mit einem Hakenkreuz und deutete Oral-Sex mit dem Außerirdischen an.
Bei Nazi-Symbolen komme es auf den Kontext an, betont Wissenschaftler Schwartmann. Ein Hakenkreuz oder Hitlergruß sei nicht in jedem Fall verboten – wie in der Fernseh-Serie „Unsere Mütter, unsere Väter“ oder bei der Stromberg-Parodie der TV-Comedy-Serie „Switch Reloaded“.
Die Frage nach den Grenzen der Kunst tritt immer wieder auf. 2006 sorgte ein heftig umstrittenes Kunstwerk des Spaniers Santiago Sierra in der Synagoge von Pulheim-Stommeln bei Köln für Aufregung. Er hatte Autoabgase in das ehemalige jüdische Bethaus geleitet. Mit der „Gaskammer“ wollte er nach seinen Angaben der Banalisierung der Erinnerung an den Holocaust entgegenwirken. Dies hatte unter anderem der Zentralrat der Juden als Verhöhnung der Opfer kritisiert. Das Projekt wurde vorzeitig gestoppt.
Ob etwas noch als Kunst zu rechtfertigen ist oder nicht: „Eine starre Linie ist nicht zu ziehen“, sagt der Wissenschaftler Schwartmann. Eines allerdings könne auch das Grundgesetz nicht leisten. „Die Verfassung schützt nicht vor Geschmacklosigkeit.“