Mauricio Kagels "Mare Nostrum" in der Reithalle
Kolonialismus in Schwimmwesten: Mauricio Kagels "Mare Nostrum" in der Reithalle
MÜNCHEN - An sich ist das eine erfreuliche Wiederentdeckung. Was einem heute bei Musiktheater-Biennalen als letzter Schrei und allerneueste Innovation aufgetischt wird, hat Mauricio Kagel schon vor 40 Jahren praktiziert: Die Musiker werden zu Akteuren und Performern. Und bei Kagel hatte die Klangkunst, im Unterschied zum heutigen krampfigen Ernst, noch einen gewissen subversiven Witz.
Die Festspielwerkstatt der Bayerischen Staatsoper hat sich nun in der Reithalle Kagels „Mare Nostrum“ vorgenommen. Das knapp einstündige Musiktheater aus dem Jahr 1975 dreht die Entdeckung Amerikas um: Indianer vom Amazonas erobern wie Konquistadoren den Mittelmeerraum. Sie prüfen die lokalen Kulturen Spaniens, Frankreichs, Italiens, der Türkei, Israels und Ägyptens. Die Indianer plündern ein wenig und stellen fest: Es ist alles Müll.
Kagel parodiert und zitiert französische Chansons, israelische Schlager, Mozarts „Marcia alla turca“ und seine „Entführung aus dem Serail“. Dazwischen gibt es etwas angestrengte Neue Musik, die ein von Richard Whilds geleitetes Kammerensemble erstaunlich locker aus dem Ärmel schüttelt. Christian Miedl singt und spielt den Wilden ebenso virtuos wie der Countertenor Vasily Koroshev den Europäer.
Ärgerlich und gedankenlos
Der Regisseurin Frauke Meyer ist nicht entgangen, dass sich 2013 eine italienische Marineoperation zur Rettung schiffbrücher Flüchtlinge wie das Stück „Mare Nostrum“ nannte. Am Beginn versucht der Indianer den anscheinend fast ertrunkenen Europäer wiederzubeleben. Später werden immer wieder orange Schwimmwesten auf die sandige Spielfläche geworfen.
Nur: Kagel hat eine durchaus kluge, in vielem noch immer aktuelle Satire auf den Kolonialismus und das wechselseitige Unverständnis der Kulturen geschrieben. Auf die Flüchtlingskrise lässt sich das nur sehr bedingt herunterbrechen. Am Ende der Aufführung wird der Europäer umgebracht. Was will uns die Aufführung damit sagen? Im Ernst vielleicht, dass die Flüchtlinge eine Bedrohung sind? Mit solchen Fragen lässt einen die Regisseurin allein. Das ist in diesem Fall kaum anregend, sondern ärgerlich und gedankenlos.