Matthias Lilienthal soll Intendant der Münchner Kammerspiele werden
Der Berliner Theatermacher ist ein Held der Offszene und soll in München ab 2015 Johan Simons an den Kammerspielen ablösen
Ein paar böse Blicke habe er nach seiner Ankunft in München abbekommen, schmunzelt Matthias Lilienthal, und zwar, als er bei Rot über die Ampel ging, etwas, was er schon seit jeher machen würde. Aha, das ist er also, der zukünftige Intendant der Münchner Kammerspiele, der im Herbst 2015 das Amt von Johan Simons übernehmen wird: ein Über-Rot-Geher, ein Grenzüberschreiter, „einer der zukunftsweisendsten und wandlungsfähigsten Theatermacher unserer Zeit“, wie Kulturreferent Hans-Georg Küppers ihn anpreist.
Am 26. September muss der Kulturausschuss den einzigen Kandidaten, den Küppers vorgeschlagen hat, noch bestätigen, aber schaut man sich die Erfolge und die Persönlichkeit Lilienthals an, ist die Bestätigung eine hundertprozentig sichere Sache. Das Berliner Hebbel am Ufer, kurz HAU genannt, hat Lilienthal in seiner neunjährigen Intendanz, bis zur Spielzeit 2011/12, zu einem renommierten Off-Theater mit internationaler Stahlkraft geformt. Momentan arbeitet der 53-Jährige in Beirut, wo er sein Format „X Wohnungen“ weiter wachsen lässt. Zudem ist Lilienthal Programmdirektor für das 2014 in Mannheim stattfindende Festival „Theater der Welt“.
Man braucht also keine Sorge tragen, dass die internationale Ausrichtung, die Johan Simons in der Nachfolge von Frank Baumbauer weiter ausgebaut hat, verloren gehen könnte. Vielmehr will Lilienthal neben Antwerpen und Brüssel auch seine Kontakte nach Paris und Tokyo spielen lassen. Von 1988 bis 1991 hat er als Dramaturg am Theater Basel unter Baumbauer gearbeitet, „von ihm habe ich das Dramaturgenhandwerk gelernt.“ Als Chefdramaturg an der Volksbühne unter Frank Castorf erlebte er von 1991 bis 2000 eine erfolgreiche Zeit; zu seinen Regisseursbekanntschaften gehörten Christoph Marthaler, Johan Kresnik oder der junge Christoph Schlingensief.
Unter Lilienthal wurde das HAU zweimal Theater des Jahres (2004 und 2012). In den Kammerspielen, die gerade zum Theater des Jahres 2013 gekürt wurden, will er bereits Angelegtes vertiefen, mit internationalen Kooperationen, mit Geschichten aus Bayern (eine Adaption von Josef Bierbichlers „Mittelreich“ könnte er sich vorstellen) und Stadtprojekten. Auch freut er sich auf das Ensemble, etwa auf André Jung, den er aus Basler Zeiten kennt. Auf die Frage, ob Lilienthal, der in Berlin eine ganz andere alternative Szene erlebte und in ihr für Glanzlichter sorgte, mit dem doch etwas bürgerlicheren München zurecht kommen wird, zeigt sich der Intendant in spe zuversichtlich. Gerade das Andersartige sei doch spannend. Und man darf annehmen, dass er weiter über rote Lichter gehen wird.