Martina Vehs "Ulisse" nach Monteverdi im Prinzregententheater

Im Strudel der geballten Rache: Martina Vehs Musiktheater "Ulisse" auf der Hinterbühne des Prinzregententheaters
MÜNCHEN - Eigentlich müsste dieses Musiktheater „Penelope“ heißen: Die Gattin des Odysseus hat sich verdreifacht. Eine singt besser als die andere. Das erzeugt eindrucksvolle Ensembles mit Echo-Effekten und Schwebungen. Und das Schlussduett machen Pia Viola Buchert, Jessica-Veronique Miller und Clara Corinna Scheurle unter sich aus. Dann fallen sie tot um. Oder ist doch Odysseus von uns gegangen? Telemaco wirft mit der Schaufel Erde auf die drei schwarz gekleideten Damen, wie bei einer Beerdigung.
Ein Ende. Oder doch ein Neuanfang? Diese Offenheit ist ein Vorzug von Martina Vehs „Ulisse“. Die Regisseurin hat Claudio Monteverdis Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“ auf 90 pausenlose Minuten verdichtet. Die Hinterbühne des Prinzregententheaters ist ein Hafen, der Hafen, der von Nettuno (Irakli Atanelishvili) und Minerva (Flore van Meerssche) kontrolliert wird.
Ein Hauch von Mafia und Rachedrama liegt über dem Abend: Gleich am Anfang wird jemand mit der Bohrmaschine erschossen. Und Ulisse richtet Penelopes Freier erst mit der Armbrust hin, ehe er ihre Reste in einem Kettensägenmassaker beseitigt.
Zur Kenntlichkeit bearbeitet
Veh interessiert sich für die psychischen Deformationen der Rache. Das macht ein kurzer Sprechtext deutlich. Mehr als einmal verliert sich ihre Inszenierung ein wenig im Ungefähren. Und vom Rammel-Sex bis zur Kampfszene wird in dieser Aufführung des Kooperationsverbunds der Bayerischen Theaterakademie auch manche Pflichtübung abgearbeitet. Aber das stört nie, weil Joachim Tschiedel die skizzenhaft überlieferte Musik zur theatralischen Kenntlichkeit bearbeitet hat.
Und zwar mit sparsamen Mitteln: Tschiedel selbst sitzt an der Orgel. Er wird von einem Cembalo, einer Gambe und einer Blockflöte unterstützt (Accademia di Monaco extra). Der Clou aber ist ein Trio um die Hackbrett-Professorin Birgit Stolzenburg. Die Instrumente wirken nicht folkloristisch, ihr Klang erinnert eher an Lauten. Aber bisweilen hämmern die drei auch auf den Korpus oder an einem Metallgerüst.
Die Studierenden der Hochschule für Musik und Theater singen fast alle ausgesprochen stilsicher. Stefan Sbonnik ist ein sehr eindringlich und männlich singender Tenor-Ulisse. Ein paar Stimmlagen überraschen: Der Schönling Telemaco ist ein Bariton (Bavo Orroi), den Fresser Iro singt und spielt die Sopranistin Andromahi Raptis – und zwar ausgesprochen gut.
Obwohl man sich im Theater befindet, hat der Bühnenraum doch den Charme einer Industriehalle. Eine sehr intensive Aufführung an einem ungewöhnlichen Ort. Selten war Alte Musik in München so lebendig. Robert Braunmüller
Wieder am 19., 21. Oktober, 23 und 29. November und 1. Dezember, 20 Uhr, auf der Hinterbühne des Prinzregententheaters, wenige Restkarten unter Telefon 2185 1920 zum Preis von 15 Euro