Martina Schwarzmann Premiere im Lustspielhaus: Großartig durchschnittlich
Wo man ist und wo man nicht ist, das ist vielleicht einfach nur eine Frage der Frisur. Weshalb man zum Beispiel in bayerischen Dörfern Punks selten bis gar nicht antrifft – dazu hat Martina Schwarzmann eine plausible Theorie. Einmal hat sie einen Punk auf der Rückbank eines Autos sitzen gesehen, der Kopf die ganze Zeit schräg gehalten, weil der riesige Irokesen-Schnitt in so ein Auto auf dem Weg ins Ländliche einfach nicht reinpasst.
Ergo: Punks lümmeln bevorzugt in und um Hauptbahnhöfen herum, weil sie nur dort und in öffentlichen Verkehrsmitteln aufrecht sitzen und ihre Frisur präsentieren können. Na, (Haar)spitzenlogik!
In Schwarzmann steckt eh ein Punk, man glaubt es sofort und sie behauptet glatt, schon mal bei einem Punkkonzert ausgeholfen zu haben, als einem Gitarristen eine Saite riss. Und vielleicht wird es ja noch was mit ihrer geplanten Karriere mit einer Punkband. Doch bis dahin sitzt sie erst mal auf der Bühne des Lustspielhauses, die Haare streng nach hinten gekämmt, geflochten zum Dutt, Gitarre in der Hand, und lebt ihren Sinn fürs Subversive jenseits des Exzesses, aber nicht weniger wirksam aus, indem sie ihre Pointen aus der geordneten Fassade einer dreifachen Mutter, Landwirtin, Kabarettistin abschießt.
Ureigener Irrwitz aus dem eigenen Alltag
Thematisch zapft sie weiterhin ihren Alltag an, daran hat sich auch in ihrem neuen Bühnenprogramm "Genau richtig" nichts geändert. Wobei sich erahnen lässt, dass Schwarzmann zwar tief in ihr oberbayerisches Leben hineingreift, ihre ausufernde Fantasie beim Schreiben aber schnell ins Spiel kommt. Klar, die Mechanismen eines "Weiberstammtisches" kann man sich schon vorstellen: dass vorneherum nett, hintenrum bös geredet wird, weshalb Schwarzmann immer bis zum Ende bleibt, um ja nicht Objekt der Lästerei zu werden. Aber das Bild der tratschenden Landeier ist eben auch ein Klischee, mit dem sich im Dienste schöner Pointen und Liedzeilen spielen lässt.
Schwarzmanns ureigener Irrwitz, der weniger dem deutschen Kabarett als der US-Standup-Comedy anverwandt scheint, bringt sie an alle möglichen Orte, von der trockenen Realität in herrliche Regionen des Unsinns. Wo man ist und wo man nicht ist – diese existentielle Frage durchringt ihr Programm wie ein Leitfaden.
"I bin net bei Facebook. I bin bei mir."
Singt sie am Anfang "I bin jetzt do", womit sie ihre Präsenz für die Zuschauer auf der Bühne meint (obwohl kurz vorher ein gewisser George Clooney bei ihr anrief und nach ihr verlangte), so stellt sie in einem anderen Lied fest, dass sie ihren Mann am meisten liebt, wenn er eben nicht da ist. Und wenn eines ihrer Kinder auf dem Spielplatz beim Rutschen Durchfall bekommt – und nicht nur dann-, ergreift sie ein drängender Fluchtreflex: "Nix wie weg", der fein gespielte Gitarrensong dazu.
Sie möchte also oft woanders sein, will ihre Ruhe, wie sie gegen Ende singt, Ruhe vor allem Trubel, dem digitalen Trubel sowieso. Mit Erfolg: "I bin net bei Facebook. I bin bei mir." Besinnliche Momente gönnt Martina Schwarzmann sich und ihrem Publikum, die Gags dürfen zwischendurch ruhen. Bis sie wieder scherzt, gnadenlos freimütig, über das Altern, faltbare Brüste und Orangenhaut ("I find, mir steht’s!"). Selbst das Durchschnittliche kommt zu Songehren: "Ich bin so mittelalt, bin so mittelgscheit, bin so mittelschee, wie die meiste Leit."
So kommt sie ihrem Publikum verdammt nahe, ist ganz da, raffiniert und konstant souverän auf der Bühne, so dass man sich sicher ist: Hier ist man genau richtig.
Lustspielhaus, Donnerstag und Freitag, 20 Uhr, bereits ausverkauft
Lesen Sie hier: "Bairische Sprachwurzel" für Martina Schwarzmann
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