Marko Nikodijevics „Vivier“ in der Muffathalle in der AZ-Kritik

Muskulöse Unterhemden: Die Biennale für Neues Musiktheater eröffnet mit Marko Nikodijevics „Vivier“ in der Muffathalle
Robert Braunmüller |
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Muskulöse Unterhemden: Die Biennale für Neues Musiktheater eröffnet mit Marko Nikodijevics „Vivier“ in der Muffathalle

Als der Komponist Claude Vivier 1983 in Paris von einem Stricher ermordet wurde, lag auf seinem Schreibtisch eine Kantate. Sie handelte von der Anziehung durch einen jungen Mann. Der stößt dem Erzähler namens Claude zuletzt ein Messer ins Herz. Leben und Kunst trafen sich – tragisch, berührend, aber auch leicht peinlich.

Auf der Bühne wird aus dieser bedeutungsschwangeren Geschichte leicht die schwule Passion eines Unverstandenen samt Opfertod für die Kunst. Der Komponist Marko Nikodijevic und sein ungelenker Textdichter Gunther Geltinger tappten zur Eröffnung der Münchner Biennale für Neues Musiktheater genau in diese rosarote Kitsch-Falle. Der Heilige Sebastian, Vivier als ungeliebtes Baby sowie Tschaikowsky hatten ihre Auftritte in der Muffathalle, die nicht minder unvermeidlichen Muskelmänner in durchsichtigen Unterhemden ebenfalls.

Ironie oder nicht?

Die Titelrolle schrieb Nikodijevic für einen Countertenor (Tim Severloh) – als einzige hohe Stimme unter Männern. Von der Klangdramaturgie her ist das nachvollziehbar. Da Vivier aber als verklemmtes Entlein dargestellt wird, bedient dies leider (aus Ungeschick?) verschwiemelte Klischees über Countertenöre und Homosexualität, ohne mit diesem Unbehagen auch nur eine Sekunde zu spielen.

Nikodijevic lässt einen Trauerchoral aus Tschaikowskys „Pathétique“ vom Männerchor singen. Schwer zu sagen, ob das ironisch wirken soll oder nicht. Auch sonst bleibt die Musik im gefälligen Ungefähr: Vivier singt expressive Kantilenen, die Stricher rappen, eine zuckrige Kirchenszene wäre auch in einem mutigen Musical denkbar. Nikodijevic flanierte durch einen postmodernen Laden für Musikalien und nahm von allem etwas. An die aufregenden Werke des echten Vivier sollte man lieber nicht denken.

Das Schlimmste wäre verhütet worden, wenn Nikodijevic die bereits vorliegenden Gedächtniswerke auf den Verblichenen sowie Künstler-Opern des vorigen Jahrhunderts studiert hätte. „Außer Kontrolle“, wie das Motto der Biennale lautet, ist bei dieser wackeren, mit dem Braunschweiger Theater koproduzierten Aufführung nichts. Alles bleibt musterschülerhaft und zu brav.

Noch einmal am 9. Mai 2014, 20 Uhr in der Muffathalle

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