Kritik

"Machine de Cirque" auf dem Tollwood: Performance mit Wucht

Im kulinarischen Umfeld: Die kanadische Compagnie "Machine de Cirque" begeistert beim Tollwood-Winterfestival.
von  Michael Stadler
Grandios schamlos: Die Männer von "Machine de Cirque".
Grandios schamlos: Die Männer von "Machine de Cirque". © Stephane Bourgeois

München - Auch Speisen können Salti schlagen: Das von Starkoch Holger Stromberg zusammengestellte Vier-Gänge-Menü im Grand-Chapiteau-Zelt hat einige kreative Geschmackskombinationen zu bieten, die sanfte Bio-Umdrehungen im Magen erzeugen.

Allein die Weiße-Apfel-Ingwer-Cremesuppe mundet köstlich. Für den Fleischesser folgt Feines vom Ox "from Nose to Tail" mit Spinatnockerln und regionalem Gemüse aus dem Ofen, so dass man sich schon vorab kulinarisch angenehm versorgt fühlt.

Und selbst wenn man der Show der kanadischen Truppe "Machine de Cirque" mit leerem Magen beiwohnt, verlässt man reichlich gesättigt das für die zirzensische Verpflegung abonnierte Tollwood-Zelt.

"Machine de Cirque": Artistische Kunststücke in sehr dynamischer Form 

Denn was die fünf Männer aus Québec (einer ist erkrankt) an artistischen Schmankerln bieten, kann man getrost als Weltklasse bezeichnen, wobei allein schon das Bühnenbild verrät, dass hier nicht sterile Perfektion in Form einer klassisch aneinandergereihten Nummernrevue angestrebt wird. Stattdessen werden artistische Kunststücke in sehr dynamischer, dahingeschleuderter Form geboten, die zum Teil nahtlos ineinanderfließen, wenn es nicht abrupte, buchstäblich blitzartige Brüche gibt.

Der Fokus liegt zunächst auf Musiker Olivier Forest

In einem zusammengeschustert wirkenden Baustellen-Ambiente mitsamt mehrstöckigem Gerüst und Vertikalstangen an den Seiten tritt das durchtrainierte Quintett auf. Der Fokus liegt dabei zunächst mal auf Musiker Olivier Forest, dem einige Requisiten angeboten werden, der aber nur auf eine Gabel reagiert, weil diese sich als Ersatz-Drumstick für erste knallige Trommelschläge eignet.

Immer wieder lässt die Compagnie furiose Wimmelbilder entstehen 

Regelrecht perkussionswütig ist Forest, hämmert auf alles, was ihm in den Weg kommt und lässt sich nur durch ein geflüstertes "Stell dir vor, du bist am Strand" zum chilligeren Musizieren beruhigen. Laut Programm-Mitteilung befinden sich die Fünf in einer Art Endzeit-Szenario, das sie, alleingelassen auf Erden, nach weiteren Überlebenden fahnden lässt.

Performance mit viel Wucht: Kleine Fehler fallen nicht ins Gewicht

Vor allem sorgt er aber mit seinen Beats und Gitarrenklängen für den Drive, der seine Kollegen in ihren tolldreisten Aktionen unterstützt und das Publikum auch hörend mitreißt.

Per Schleuderbrett katapultieren sie sich gegenseitig in die verschiedenen Etagen des Gerüsts. Durch Fenster-Öffnungen können sie sich auch mittendurch fallen lassen oder nach oben springen. Immer wieder lässt die Compagnie gemeinsam furiose Wimmelbilder entstehen, so dass das Auge mit Hinschauen kaum noch mitkommt, ob sie nun mit weißen Keulen jonglieren oder Ringe um ihre Körper wirbeln lassen. Mit diversen Drehungen und Überschlägen in der Luft ist dabei jederzeit zu rechnen.

"Machine de Cirque": Der Größte holt eine Zuschauerin auf die Bühne

Die Performance hat so viel Wucht, dass kleine Fehler nicht ins Gewicht fallen. Vielmehr herrscht ein entspanntes (kanadisches?) Laissez-Faire, von dem man sich gerne eine Scheibe abschneiden würde: Was soll's, wenn mal eine Keule auf den Boden fällt? Sind ja noch viele andere in der Luft, und am artistischen Können gibt es keinerlei Zweifel.

Einzelne Nummern im wild sprudelnden Fluss des Abends gibt es dann natürlich doch. Per Scheinwerferkegel rücken einzelne Mitglieder der Truppe in den Fokus, und man wird ein aufs andere Mal überrascht, in welche Richtung die Reise geht. Denn auch einige humoristische Einlagen haben die Fünf auf Lager: Der Größte unter ihnen holt eine Zuschauerin auf die Bühne und lädt sie mit lulatschigem Charme zu einem Date ein, bei dem die anderen sämtliche Sitz- und Tischmöbel - im Café, im Kino - und sogar das Transportmittel von einem Ort zum anderen mimen.

Zum fulminanten Finale üben sie sich zu fünft auf dem Schleuderbrett

Der absolute Klassiker ist jedoch die Nummer mit den Handtüchern: Nach einem Regenguss auf der Tonspur ziehen sie sich aus, werden doch gschamig, weshalb sie ihre nackten Körper mit Handtüchern zu verbergen suchen. Es ist ein virtuoses, knallkomisches Spiel mit der Schau-Lust des Publikums. Kaum zu glauben, aber auch ein Handstand ist möglich, ohne dass ein Zipferl zu sehen ist. Und ist es nicht eine tolle Botschaft in unseren egomanen Zeiten, dass man sich ein Handtuch zu mehrt teilen kann?

Zum fulminanten Finale üben sie sich zu fünft auf dem Schleuderbrett im Gleichgewichthalten, katapultieren sich damit durch aufeinandergestapelte Ringe und gegenseitig in die Höhe. Ein paar Salti werden eingestreut, höher und höher geht es hinaus, dass es einem allein beim Zuschauen schwindlig wird. Am Ende haben die Fünf ihre Mission glorreich erfüllt, sind sie doch längst nicht mehr alleine, sondern haben Kontakt zum Publikum aufgebaut. Das Zelt tobt. Dann eilt man zum Nachtisch-Büffet.


Die nach ihnen benannte Show "Machine de Cirque" spielen die Kanadier im Grand-Chapiteau-Zelt bis Sonntag, 11. Dezember. Vom 13. bis 30. Dezember spielen sie eine weitere Show, "La Galerie", an gleicher Stelle (immer täglich, außer montags). Reservierung (ggf. mit Menü-Buchung) jeweils unter www.tollwood.de

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