Lisa-Maree Cullum verabschiedet sich vom Staatsballett

Eine kleine Rolle für einen großen Abschied: Lisa-Maree Cullum verabschiedet sich vom Bayerischen Staatsballett
Vesna Mlakar |
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Eine kleine Rolle für einen großen Abschied: Lisa-Maree Cullum verabschiedet sich vom Bayerischen Staatsballett

Ein klein wenig Bühnennebel, dann ihr Entrée: Seit Saisonbeginn hatte Lisa-Maree Cullum – Erste Solistin des Bayerischen Staatsballetts und Mutter eines bald vierjährigen Sohnes – pausiert. Um sich (wie nach der Knieverletzung vor einigen Jahren) noch einmal in Form zu trainieren und auf die Bühne zurück zu kämpfen. Harte Arbeit, die ihre versierte Körpersprache, präzise Schrittattacke und Leichtigkeit der akkurat platzierten bzw. über den Boden huschenden Füße vergessen macht.

Dabei ist ihr Auftritt, gewohnt lupenrein und musikalisch austariert, diesmal ein Abschied: vom Münchner Nationaltheater und seinem Publikum. „Les Biches“ ist ein fantastisch unbeschwertes Sommerstück (Musik: Francis Poulenc). Eine in klassisches Ballettvokabular verpackte Zeitkapsel, die den Zuschauer nach der opulent ausgestatteten und inhaltlich erotisch aufgeladenen „Shéhérazade“ (Musik: Nikolai Rimski-Korsakow) des ersten Teils in die 1920er Jahre und mitten hinein in das nachmittägliche Vergnügen junger, flirtfreudiger Mädchen katapultiert.

Die Dame des Hauses

Bronislawa Nijinska hatte das amüsante Partyspiel, das drei hyperathletische Burschen aufmischen, 1924 choreografiert und die extravagante Partie der reifen Dame des Hauses kreiert. Die Perlenkette graziös an der einen, die Zigarettenspitze in der anderen Hand, brachte Lisa-Maree Cullum die subtilen Facetten dieser Rolle schon bei der Premiere des „Ballet Russes“-Abends 2008 zum Funkeln. Wenige Monate zuvor war die gebürtige Neuseeländerin zur Kammertänzerin ernannt worden.

Am Sonntag beendete sie nach 17 Spielzeiten in München als souveräne Hostesse einer vom Libretto an der Côte d’Azur verorteten Villa ihre Tanzkarriere. Im richtigen Leben konnte Cullum ebendort ihre Ausbildung bei Marika Besobrasova an der Académie Princesse Grace in Monte Carlo abschließen. Mit dem Bonus, nach Gewinn des Adéline-Genée Wettbewerbs und des Prix de Lausanne 1988 als Fünfzehnjährige bereits einen Vertrag von Peter Schaufuss für das English National Ballet in der Tasche zu haben. Ihrem Mentor, dem sie ihre akribisch-bestechend-schöne Fußtechnik verdankt, folgte Cullum 1990 an die Deutsche Oper am Rhein, wo sie schnell ihr Repertoire ausbaute und bald international für Aufsehen sorgte.

Wahrhaftigkeit als Markenzeichen

Als im Zuge von Finanzierungsschwierigkeiten der ursprünglich drei Berliner Ballettensembles ihre Weiterentwicklung in Stocken geriet, folgte sie 25-jährig Ivan Liškas Einladung, ihre Laufbahn ab 1998 in Bayern fortzusetzen. Was für ein Glücksfall! In München prägte sie das Gesicht der Kompanie in allen wichtigen Ballerinenrollen, von Nikija („La Bayadère“) über Raymonda, Giselle, Julia, Kitri („Don Quijote“), Manon, Tatjana und Olga („Onegin“), Katharina („Der Widerspenstigen Zähmung“), Aurora („Dornröschen“) und Medora („Le Corsaire“) bis hin zu Neumeiers Louise („Nussknacker“), Cinderella, Titania/Hippolyta sowie Helena („Sommernachtstraum“) und Kameliendame (unvergesslich mit Partner Alen Bottaini!) oder Murphys Sophie („Die silberne Rose“). Hinzu kam die Moderne von Balanchine bis Siegal.

Wahrhaftigkeit im Ausdruck blieb bis zuletzt eines von Cullums bewegendsten Markenzeichen. So auch in den 20 finalen Minuten ihrer bild- und wortgefüllten Verabschiedung, die in einer Dankeskaskade von über die Rampe geworfenen Kusshänden gipfelte.

Flankiert von Irène Léjeune, die der Künstlerin unter buntem Konfettiregen zum Adieu ein riesiges Rosenbouquet überreichte, ließ Liška ihr kaum Raum für Tränen. Und Kohlers originelle, sich anschließende Geisterfahrt durch die Ballettgeschichte „Once Upon An Ever After“ (Musik: Tschaikowskys „Pathétique“) mutierte auf kuriose Weise zu einer Dreiviertelstunde fulminanter Erinnerungszeit. Lisa-Maree, diese einzigartige Primaballerina!

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