"Liliom" von Johanna Doderer mit Daniel Prohaska und Angelika Kirchschlager

MÜNCHEN - Dieses Stück erzählt von falschem Stolz, Gewalt und Sprachlosigkeit. Aber gezähmt durch Rummelplatz-Romantik und eine große Liebe des Autors zu seinen Figuren. Franz Molnárs „Liliom“ bündelt wie in einem Brennglas, was Josef E. Köpplingers Verständnis von Theater ausmacht: lächelnd etwas Ernstes sagen.
Mit Johanna Doderers Vertonung dieser tragischen Jahrmarktskomödie wollte Köpplinger eigentlich das renovierte Gärtnerplatztheater wiedereröffnen. Der Hausherr hat die Geschichte dieses Hallodris einfühlsam gekürzt und die bauverzögerungsbedingt in die Reithalle verlegte Uraufführung auch selbst inszeniert.
Doderers Musik ist tonal, aber nicht banal. Sie passt ideal zu Köpplingers Theater. Daniel Prohaska könnte eine ideale Besetzung für die Hauptrolle sein. Doch wenn im Theater scheinbar alles stimmt, geht es meistens schief. Die Komponistin scheitert an der Sprache und der Psychologie Molnárs. Sie tut „Liliom“ Gewalt an, weil ihre Musik all das geschwätzig und besserwisserisch ausplaudert, was die Figuren nicht in Worte fassen können.
Vor Jahren gab es eine Horváth-Inszenierung von Christoph Marthaler, in der ein Mann an einer Elektroorgel die kitschigen Sehnsüchte der Figuren mit Schlagermusik illustrierte. Solche Brechungen sind Doderers Musik fremd. Wenn der zur Verbürgerlichung unfähige Karussellausrufer von Julies Schwangerschaft erfährt, singt die Oboe von der Liebe, ehe sich das Orchester hymnisch in romantischer Opernherrlichkeit aufschwingt. Aber eigentlich ist Lilom erst sprachlos und erwägt aus Geldmangel einen Raubmord, weil er sich fürs Hausmeistern zu gut ist.
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Dieser Tunichtgut triumphiert in der Reithalle mit Spitzentönen wie Puccinis Kalaf. Das passt nicht zur Figur. Doderers Musik fehlt auch der vergiftete Schnitzler- oder Horváth-Charme. Nur Ficsurs Couplet und der Schluss der vierten Szene mit der surrealen Verdopplung der Solisten durch den Chor lassen ahnen, wie eine „Liliom“-Oper jenseits des Küchenrealismus klingen könnte. Und wie metiersicher Doderer komponieren kann.
Die Besetzung macht nur in Teilen glücklich. Camille Schnoor ist eine naiv liebende, bodenständige Julie und das zweite Paar (Katerina Fridland, Christoph Filler) prunkt mit schlichter Natürlichkeit. Angelika Kirchschlager singt und spielt Karussellbesitzerin Frau Muskat wie eine K.u.k.-Gräfin ohne jeden Hauch von Halbwelt. Daniel Prohaska könnte mit seinem weichen Gesicht und der Lederjacke der ideale Liliom sein. Aber leider hat niemand von ihm verlangt, die brutale Seite auszuspielen.
Lieblos ist leider auch Köpplingers Inszenierung. Für die Atmosphäre sind ein paar traurige Statisten mit Glatzen und Luftballons zuständig. Es gibt keinen Prater, aber auch nichts, was ihn ersetzen könnte. Die Szene, in der Liliom aus dem Fegefeuer mit einem vom Himmel geklauten Stern zurückkehrt, bleibt ohne Poesie. Sie ist leider auch nicht so inszeniert, dass man merken würde, wieso der Regisseur dieser Sorte Poesie misstraut.
Die Einsätze für die Sänger gibt Andreas Partilla aus der ersten Reihe. Das von Michael Brandstätter mit deutlichem Schlag geleitete Orchester des Gärtnerplatztheaters sitzt sehr weit hinten. Nur Fetzen der offenbar sehr differenzierten Instrumentierung erreichen das Ohr. Womöglich hätte Doderers Musik aus einem Orchestergraben mehr Effekt gemacht. Aber am Grundproblem dieser Oper hätte das nichts geändert. Sie klingt, als hätte Franz Lehár und nicht Alban Berg den „Woyzeck“ Georg Büchners vertont. Mitleidlos und kalt gegenüber den Figuren Molnárs. Ein großes Missverständnis, leider.
Wieder am 8., 11., 12., 16., 17. und 19. November, jeweils 19.30 Uhr in der Reithalle, Heßstraße 132, Karten unter Telefon 21 85 19 60 und www.staatstheater-tickets.bayern.de