Lambert Hamels überzeugende Rückkehr

Nach zwei Jahren Pause glänzt der beliebte Schauspieler in "Hotel Capri" im Cuvilliéstheater
von  Mathias Hejny

Ob dieser Betrieb jemals bessere Zeiten gesehen hat, bleibt offen. Wenn ja, dann sind sie längst versunken. An der Absteige unweit des Münchner Hauptbahnhofs, die zwischendurch ein Stundenhotel war, ist die Zeit geräuschvoll in Gestalt von Fernzügen vorbeigerattert: Der ICE, der Railjet, der TGV oder die City Night Line, „um nur einige, aber schlagenden Beispiele moderner Schienenfahrzeuge zu nennen“, schwärmt der Herr Buchmoser (Götz Schulte).

Er ist Hotelchef und preist den fensterlosen Raum in seinem „Hotel Capri“ Werner von Späth, einem wohlhabenden Apotheker, an. Das Etablissement gehörte vor 50 Jahren dessen Onkel. Das Zimmer 11 hat sich seit den 1960er-Jahren nicht verändert. Es war das Liebesnest, in dem der Knabe seine Jungfräulichkeit verlor und feststellte: „Ich hab gedacht, dass es viel mehr weh tut“. Die Schmerzen kommen später, denn Werner schlief mit seinem Fußballkumpel Franz, und das war damals verboten. Jetzt treffen sie sich erstmals am Tatort wieder.

Aus der schwulen Romanze lässt Thomas Jonigk mit seiner neuen Komödie das Erwachsenwerden der Bundesrepublik aufscheinen. Der Fußball ist der Sport, mit dessen Erfolgen sich Deutschland identifiziert, doch körperliche Liebe zwischen Kickern ist auch im aufgeklärten Heute igittigitt. Das „Hotel Capri“, das dem Stück den Titel gibt, erinnert an die Italien-Sehnsucht der wirtschaftswunderlichen Teutonen und der erfolgreiche Pharmazie-Unternehmer von Späth repräsentiert den viel beschworenen Mittelstand. Und es geht Jonigk um die Schnittstellen von Einsamkeit, Liebe und Sex im Alter. Um die Uraufführung kümmerte sich Regisseurin Tina Lanik im Cuvilliéstheater mit nicht unbedingt spektakulärem Ergebnis.

Doch ihre Inszenierung ist eine liebenswerte Plattform sowohl für Lambert Hamel als Werner, der nach zweijähriger Pause wieder auf einer Münchner Bühne spielt, als auch Juliane Köhler. Sie tobt als untalentierte Prostituierte Jessica und kleinmädchenhaftem Wildfang in körpernah geschneidertem Fummel völlig enthemmt durch den verwahrlosten Tempel der Erinnerung, den Werner hier sucht. Der wird zunehmend zum Haus der Halluzinationen, denn zu den Nebenwirkungen seines Herzmittels gehören Wahnvorstellungen. Oft gleiten die Wahrnehmungsebenen nach Art einer Tür-auf-Tür-zu-Klamotte ineinander. Es macht viel Vergnügen, Lambert Hamels Werner dabei zu beobachten, wie er mit der Wirklichkeit fremdelt und sich mit seiner Traumwelt anfreundet: „Vielleicht ist die Vorstellung von einer gelebten Liebe das Äußerste, was wir erreichen konnten“, tröstet er Franz (Arnulf Schumacher). „Alles andere ist Kitsch. So schön und beglückend kann die Realität gar nicht sein“.
 

Cuvilliéstheater, 26. September, 4. Oktober, 20 Uhr, Telefon 21851940

 

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