Kritik

"Lacrimosa 2020": Ein Finale am brennenden Ölfass

Der Theaterabend "Lacrimosa 2020" von Lea Ralfs, Judith Huber und Jan Geiger im Schwere Reiter.
Mathias Hejny |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Judith Huber, Fatima Dramé, Leonard Burkhardt, Dennis Fell-Hernandez und Janisha Jones betrauern den Tod der Kunst.
Judith Huber, Fatima Dramé, Leonard Burkhardt, Dennis Fell-Hernandez und Janisha Jones betrauern den Tod der Kunst. © Franz Kimmel

München - Trauermusik hat nur selten Ohrwurmqualitäten, aber Mozarts "Lacrimosa" aus dem Requiem bleibt nach der Vorstellung für eine Weile in den Gehörgängen haften. 

Die Mann- und Frauschaft des Pathos leistet ganze Arbeit 

Mit "Lacrimosa 2020" betrauern Autor Jan Geiger und Regisseurin Lea Ralfs, die beide auch zum Darstellerteam gehören, die Kunst als eines der ersten Opfer der Corona-Krise. Sich selbst ganz furchtbar leid zu tun, ist unter Künstlern nicht erst seit Covids großem Auftritt ein beliebtes Sujet, aber die Mann- und Frauschaft des Pathos hat hier ganze Arbeit geleistet.

Lesen Sie auch

Dabei ist die Kunst selbst, für eine Szene lang gespielt von der Drag-Queen Janisha Jones, eher cool und macht sich ein wenig lustig über die Trauergemeinde, die fassungslos am Sarg des "armen Theaters" steht. Aber der Plan ist, so heißt es in der Ankündigung, ein "heterogenes Bild über den Tod" zu zeigen.

Man trägt schwarz zwischen festlichem Konzert und würdiger Bestattung, gleitet durch die Themen zwischen Sterben und Aussterben oder debattiert sich durch Globales wie durch Privates. So war 2020 das Jahr, in dem der chinesische Schwertstör als offiziell ausgestorben erklärt wurde und Jan Geigers Großmutter starb.

Geiger wie Leonard Burkhardt richten anrührende Dankesreden an ihre Omas, aber Burkhardt, Schauspieler und Tänzer, leidet unter der Systemirrelevanz seines Berufs. Er will etwas Nützliches tun, aber seine wirklich beeindruckende Tanzdarbietung geht als Bewerbung für einen Hilfsjob im Krankenhaus nicht durch.

Lesen Sie auch

Kollegin Judith Huber kann vielleicht etwas tun für ihn in der elterlichen Schirmfabrik in der Oberpfalz, wo sie der Lockdown hintrieb und die leckeren eingelegten Kirschen genießt.

Ein Abend der traurig schönen Bilder und der bizarren Beliebigkeit

Auch fehlt es während der Pandemie an Gelegenheit für Rituale und zum Abschied nehmen, weshalb das Publikum sich zum Finale draußen im Hof um ein brennendes Ölfass versammelt. Jeder, der will, kann das Päckchen, das er trägt, dort verbrennen.

Beim Betrachten der Flammen kommt in den Sinn, dass das baldige Ableben der Demokratie, an dem am rechten Rand der Republik gerade im Windschatten der Seuche von Judikative und Exekutive weitgehend unbehelligt gearbeitet wird, im bunten Themenstrauß der Performance gar nicht vorkam. So bleiben ein Abend des Wohlklangs, der traurig schönen Bilder, der tief empfindenden Künstlerseelen, der bizarren Beliebigkeit und, immerhin, Mozarts Requiem in Erinnerung.

Pathos München, noch einmal am Samstag, 11. Januar, 20 Uhr, Internet ticket@pathosmuenchen.de

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.