„L’Italiana in Algeri“ mit Cecilia Bartoli

Premiere bei den Salzburger Pfingstfestspielen im Haus für Mozart: „L’Italiana in Algeri“ von Gioachino Rossini in einer Neuinszenierung mit Cecilia Bartoli
Michael Bastian Weiß |
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Eine Sopranistin aus Mexiko, ein Tenor aus Uruguay, ein Bass aus Ungarn, ein weiterer Bass aus Bolivien und zwei echte Italiener: Das Ensemble dieser „Italienerin in Algier“ ist bunt zusammengewürfelt und ergibt doch eine wunderbare Einheit. Cecilia Bartoli, die auch die Künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele ist, hat es verstanden, herausragende Rossini-Sänger um sich zu scharen, die alle auch geborene Komödianten sind. Sie steht als stolze Italienerin im algerischen Harem zwar im Mittelpunkt, doch sie weiß, dass sie nur so gut ist wie ihre Mitspieler.

Das Beste an der Inszenierung des Regisseurpaars Moshe Leiser und Patrice Caurier, das vor drei Jahren auch Glucks Salzburger „Iphigénie en Tauride“ produziert hat, ist die sorgfältige Personenregie. Wenn die Bartoli mit dem launischen Herrscher Mustafà schäkert, schüttelt sich das Publikum im Haus für Mozart vor Lachen. Peter Kálmán nennt nicht nur einen imposanten Bauch, sondern auch einen gebieterischen, kantigen Bass sein eigen, den er für die vielen Koloraturen frappierend beweglich hält.

Köstlich, wie der Ungar zu Beginn mürrisch den Annäherungsversuchen seiner Elvira entflieht, augenrollend auf die Toilette verschwindet, die Spülung zieht – sich aber am Schluss gutmütig zum Narren machen lässt. Elvira, die Mexikanerin Rebeca Olvera, verglüht derweil mit ihrem lyrischen Sopran vor Sehnsucht nach dem Mann in der prolligen Unterwäsche.

Klamotte mit Kamelen

Auch die Nebenrollen sind weit mehr als Chargen. Vor allem der Bariton Alessandro Corbelli als Taddeo, hier als westlicher Tourist samt Bauchbeutel und sonnenverbrannten Unterschenkeln karikiert, nimmt die Rolle des komischen Liebhabers auch gesanglich ernst, während der Bolivianer José Coca Loza den Handlanger Haly mit seinem charismatischen Bass ungeahnt aufwertet. Sensationell muss man Edgardo Rocha aus Uruguay nennen. Er begeistert als schier perfekter Lindoro mit butterweichem Timbre, metallischen Spitzentönen und herrlich leichten hohen Koloraturen: als ob ihn der Joint, den er bei seinem Auftritt raucht, tatsächlich abheben ließe.

Bei so einem in sich reibungslos funktionierenden Ensemble hätte die Regie mehr auf das Spiel der Sänger vertrauen können. Die Soundeffekte vom Lautsprecher: der deklamierende Muezzin, das Gekreisch der Möwen, nerven; die Filmeinspielung, zumal unpassenderweise mit der Schwedin Anita Ekberg, wirkt aufgestülpt und raubt einer der Arien Rochas ihre Wirkung.

Sinnfälliger ist Elviras und Mustafàs Spiel von Annäherung und Ablehnung während der Ouvertüre, pittoresk und detailgetreu sind die Kulissen, etwa die Läden der orientalischen Stadt (Bühne: Christian Fenouillat). Für die Erzählung der Handlung reichen allerdings schon die grauenerregend bunten Trainingsanzüge aus, die Taddeo zu einem echt morgenländischen „Kaimakan“ machen sollen (Kostüme: Agostino Calvaca). Hätten die beweglichen Kamel-Attrappen da wirklich noch sein müssen? Sie deuten bereits an, wie sehr das Finale im Klamottigen versinken wird.

Gesang mit Eskapaden

Einen durchwachsenen Eindruck hinterlässt auch die orchestrale Begleitung. Zwar wählt Jean-Christophe Spinosi am Pult des Ensemble Matheus zündende Tempi und ist auch flexibel genug, seinen Sängern bei ihren Eskapaden zu folgen. Doch der Franzose verschenkt zu viel an Effekt, weil er auf Originalklang macht: Die gar nicht einmal spärlich besetzten Streicher klingen dünn und strohig und können somit selbst keine Melodien beisteuern. So wird man in dieser Produktion die Aufmerksamkeit am stärksten auf die Sänger richten wollen, deren Prunkstück natürlich Cecilia Bartoli als Isabella ist. Sie ist hier einfach in ihrem Element. Mit hinreißend röhrender Tiefe und hochvirtuosen Koloraturen lebt sie die stolze, lustige und listenreiche Italienerin prall aus, doch ihre zärtlich schwebende Höhe bewahrt ihr auch die Liebenswürdigkeit und die anrührende Liebesfähigkeit. Für die menschlichen Momente ist sie zuständig.

Die Produktion wird bei den kommenden Salzburger Festspielen noch fünf Mal wiederholt: Am 8., 11. und 19. August um 19.30 Uhr, am 14. und 16. August um 15 Uhr, jeweils im Haus für Mozart, Karten: (00) 43 662 8045 500

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