Konzertkritik: Ryan Adams gibt Konzert in der Münchner Muffathalle

München - Nach zwei Songs droht Ryan Adams das Konzert abzubrechen. Gerade hatte er das Publikum mit dem brillanten Rocker "To Be Young (Is To Be Sad, Is To Be High)" in frühe Ekstase versetzt – aber das war’s dann vielleicht auch schon. "Die verdammte Show ist vorbei", schreit er, "wenn ihr die verdammten Blitzlichter nicht ausmacht."
Ryan Adams leidet unter Morbus Menière, einer Erkrankung des Innenohrs, Blitzlichter können bei ihm Anfälle auslösen. Am Eingang der Muffathalle hatten Zettel darauf aufmerksam gemacht, und vor Konzertbeginn hatte der Veranstalter auf Deutsch und Englisch das Publikum gebeten, wegen dieser Krankheit auf keinen Fall mit Blitzlicht zu fotografieren. Was zwei Zuschauer dann aber ungerührt trotzdem machen.
Er sei nicht dazu bereit, wegen einer Rockshow krank zu werden
Schon während des Songs hebt Adams abwehrend die Hände, danach bricht es wütend aus ihm heraus: Er sei nicht bereit, wegen einer Rockshow krank zu werden, sagt er. Dem nächsten Zuschauer, der ihn mit Blitzlicht fotografiere, werde er das Handy in eine bestimmte Körperöffnung stecken, das Konzert sei dann zu Ende. Ryan Adams erklärt die Sachlage ausführlich, und er verwendet dabei sehr großzügig ein englisches Schimpfwort, das mit dem Buchstaben F beginnt. Aber dann hat’s jeder verstanden. Zum Glück, denn es wäre schade gewesen, wenn dieses gute Rockkonzert nicht stattgefunden hätte.
Ryan Adams spielt vor allem die schlanken, direkten Achtziger-Jahre-Rocknummern, die er in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat, auch auf seinem aktuellen Album "Prisoner". Bei Songs wie "Am I Safe" setzt er auf effektbeladene Gitarren und kerzengerade Arrangements mit effektiven Breaks und verkürzten Takten.
Perfekter Sound
Der Sound in der Muffathalle ist nahezu perfekt, und die kompakte Vier-Mann-Band spielt schnörkelfrei und trotz Drummer-Wechsel gut aufeinander abgestimmt. Aber keiner der Musiker kann Ryan Adams die Show stehlen, diesem Weltklasse-Sänger, dessen Stimme bei leisesten Balladen ebenso großartig klingt wie bei fettesten Rocknummern. Wie unendlich vielseitig er als Songwriter und Musiker ist, ja, dass er das komplette Rockerbe aus dem Effeff drauf hat wie kein Zweiter seiner Generation – das deutet er an dem Abend aber nur selten an.
Bei "Magnolia Mountain" dann aber doch: Die komplexe Nummer im Geiste der Grateful Dead beginnt verhalten, fast ein wenig verhuscht. In einem ausgedehnten Intrumentalteil beschwören Adams und sein Gitarrist den Geist von Jerry Garcia und Bob Weir, dann wirft Adams eine Strophe von "Cold Roses" ein. Der darauf folgende zweite Endlos-Jam hat es in sich, mit wilden Jazz-Modulationen, Fender Rhodes und Wah-Wah-Gitarre. Dann bricht die Band ab – und Adams singt unvermittelt die letzte, zarte Strophe von "Magnolia Mountain": Dieser Übergang ist große Kunst.
Zum Ende gibt's Klassiker
Danach müssen schnörkellose Songs wie "Everybody Knows" zwangsläufig etwas schlicht klingen. Doch zum Ende haut Adams noch ein paar Klassiker aus seinen frühen Jahren raus, angefangen mit "New York, New York".
Als er am Ende des Songs erstmals die Mundharmonika auspackt, beginnen ein paar Männer irgendetwas auf Schwäbisch zu krakeelen. Auf diesen Zwischenfall reagiert Adams musikalisch: Er improvisiert für sie den Song "The Slimy Guys", die Schleimer. Für den Rest des Publikums singt er dann noch die wunderbare Ballade "Come Pick Me Up" und den fulminanten Rocker "Shakedown on 9th Street".
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