Komponist Hans Werner Henze gestorben
Hans Werner Henze, einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, ist tot. Er starb im Alter von 86 Jahren in einem Dresdner Krankenhaus.
Es war wohl bei den Festspielen von 1995. Hans Werner Henze besuchte eine Vorstellung seiner komischen Oper „Der junge Lord“ im Nationaltheater. Er kam spät, viele Leute mussten aufstehen, ehe er seinen Mittelplatz im Parkett erreichte. Das Publikum erkannte ihn und bereitete ihm eine Ovation. So wird es auch im 19. Jahrhundert gewesen sein, wenn Verdi ein Theater betrat.
Während der Vorstellung sang das Staatsorchester bei einer mühseligen Passage „Drauf einen Schnaps“. So wird man ein Klassiker. Henze war schon zu Lebzeiten einer: Neben dem „Jungen Lord“ hat sich die ebenfalls mit der Dichterin Ingeborg Bachmann geschaffene Kleist-Vertonung „Der Prinz von Homburg“ im Repertoire festgesetzt. Am Samstag verstarb der Komponist im Alter von 86 Jahren in einem Dresdner Krankenhaus.
Zu München hatte Henze seit der Uraufführung der Oper „Elegie für junge Liebende“ im Jahr 1961 eine enge Beziehung. Er leitete mehr als einmal Akademiekonzerte des Staatsorchesters. 1988 gründete er die Biennale für zeitgenössisches Musiktheater, bis heute das weltweit wichtigste Festival für moderne Kammeropern. Nicht nur die Liebe zu Oper und Ballett trennte Henze von den meisten komponierenden Kollegen seiner Generation. „Bald werden Cluster, serielle Rezitative und Happenings sich erschöpft haben, und der junge Komponist wird sich vergebens in solchem Ödland nach Nahrung für seine hungrige Seele umsehen“, sagte er 1967. Wie sein Vorbild Igor Strawinsky wehrte er sich zeitlebends gegen stilistische Festlegungen und Dogmatismen.
Geboren wurde Henze am 1. Juli 1926 in Gütersloh als Sohn eines Dorfschullehrers. Er studierte an der Staatsmusikschule in Braunschweig Klavier, Schlagzeug und Musiktheorie. Nach dem Krieg ging er ans Kirchenmusikalische Institut nach Heidelberg, später nach Darmstadt und Paris. Enttäuscht vom Dogmatismus und der Restauration im Nachkriegsdeutschland floh Henze nach Italien, wo er mit seinem Lebensgefährten Fausto Moroni in der Nähe von Rom lebte. In den 1960er Jahre politisierte sich seine Kunst. 1968 scheiterte die Uraufführung des Oratoriums „Das Floß der Medusa“ an der Weigerung von Mitwirkenden, unter einem Porträt von Che Guevara und einer roten Fahne auftreten zu müssen.
Henze lehrte eine Zeitlang in Kuba, doch enttäuschte ihn bald der Dogmatismus und die Verfolgung Homosexueller durch das Castro-Regime. Das humane und politische Bekenntnis blieb in seinem Werk gegenwärtig, etwa in der Antikriegsoper „Wir erreichen den Fluss“, die kürzlich an der Dresdner Semperoper wieder aufgeführt wurde.
Das Werk Henzes ist riesig. Werke wie das „Requiem“ für Trompete und Ensemble sind Repertoirestücke geworden. Manche neobarocke Spielerei der 1980er Jahre ist verblasst, der „Tristan“ für Klavier, Tonbänder und Orchester lohnte eine Wiederbegegnung.
In letzten Jahren war Henze von der Parkinson-Krankheit und dem Tod seines Lebensgefährten gezeichnet. Oft glaubte man bei Uraufführungen, dies sei wohl die letzte. Doch das stachelte Henze nur an. Er starb als diesjähriger „Capell-Compositeur“ der Dresdner Staatskapelle am Tag der Uraufführung des Balletts „Zwischen(t)raum“ zu seiner Musik. Würdiger kann man sich als Künstler kaum in die Ewigkeit verabschieden.