Komisch nach Mensch riechen
Alle Handys auf den Tisch, alle Anrufe auf laut, alle Nachrichten vorlesen: Der italienische Autor Paolo Genovese lässt seine Figuren in "Das perfekte Geheimnis" ein Experiment wagen, das riskanter ist als geahnt. Der Stoff diente als Vorlage für diverse Verfilmungen, in Deutschland landete Bora Dagtekin damit einen Kinohit. Nun inszeniert Johannes Pfeifer das Stück in der Komödie im Bayerischen Hof.
AZ: Herr Pfeifer, Sie haben das Stück bereits als Tourneeproduktion inszeniert. Wieviel wird sich im Bayerischen Hof ändern?
Johannes Pfeifer: René Heinersdorff, der Geschäftsführer der Komödie im Bayerischen Hof, hat die Produktion gesehen und wollte sie im Grunde so übernehmen. Das Grundgerüst steht also. Es werden aber einige Schauspielerinnen und Schauspieler neu dazu kommen, insofern wird sich natürlich etwas ändern.
Das heißt, Sie sind offen für neue Impulse?
Ich bin offen, aber auch gewappnet. Gerade bei dem Stück ist es nicht ganz einfach: Anders als im Film kann das Publikum im Theater permanent alle und alles sehen. Darum muss jeder in jeder Sekunde wissen, wo er hingucken darf und wo nicht, was er hören darf und was nicht. Sonst lassen sich all die Geheimnisse nicht auf offener Bühne verhandeln.
Wie sind Sie auf den Stoff gekommen? Über das Theaterstück oder eine der Verfilmungen?
Es gibt, glaube ich, weltweit an die 17 Verfilmungen. Ich habe keine einzige davon gesehen, sondern nur das Stück gelesen. Einmal wollte ich es mir im Fernsehen anschauen, habe es dann aber nicht geschafft. Also habe ich gedacht, das ist ein Zeichen und soll so sein.
Was hat Sie bei der Lektüre für das Stück eingenommen und als Regisseur gereizt?
Was mich wirklich gereizt hat, war dieses Konglomerat an Geheimnissen und die Frage, was passieren kann, wenn man diese Geheimnisse für einen Abend auslotet. Das ist sehr intelligent gemacht, da bringt ein Stein den nächsten ins Rollen. Teilweise ist das ganz schön hart. Aber trotzdem gelingt es dem Autor, in der Komödie zu bleiben. Wobei das Ganze natürlich ein Gedankenspiel und ein Experiment ist.
Was wäre, wenn?
Genau. Ich will nicht spoilern, aber im Stück weiß man am Ende nicht genau, ob sie dieses Spiel nun tatsächlich gespielt haben oder nicht. Der Autor lässt vermuten, dass sie es nicht getan haben, die Geheimnisse, die zur größtmöglichen Katastrophe geführt haben, aber in ihrem Kern wahr sind. Das fand ich spannend. Genau wie die Frage, wie so etwas einen Freundeskreis verändert.
Ich finde es ja etwas unwahrscheinlich, dass in einer so kurzen Zeit so viel passiert über die Handys…
Aus Erfahrungen im erweiterten Freundeskreis weiß ich, dass solche Handy-Aufdeckungsexzesse meist schlimm enden.

Sie kennen also Leute, die solche Spiele gespielt haben?
Nicht direkt. Aber dass E-Mails oder ähnliches zu Verwicklungen führen können, habe ich schon miterlebt. Ich selber bin davon verschont geblieben und würde natürlich auch sagen, ich habe nichts zu verstecken. Aber es gibt natürlich immer Sachen, die eben nicht für alle bestimmt sind. Ob das nun im beruflichen Kontext ist oder im privaten. In Österreich stürzen ganze Regierungen über weiter gegebene Chats. Ganz abwegig ist es also nicht, dass man über so etwas stolpert.
Würden Sie mitspielen?
Schwer zu sagen. Ich fürchte aber, ich würde mitmachen.
Sind unsere Handys Speicher unserer Seelen?
Zumindest machen sie uns durchschaubar. Bevor ich dieses Stück inszeniert habe, habe ich "1984" nach George Orwell gemacht. Da geht es um einen Überwachungsstaat, dessen technische Mittel längst überholt sind. Aber vom Status der Überwachbarkeit hat Orwell ziemlich ins Schwarze getroffen. Die Frage, inwieweit wir einen Zugang zu unserer Seele preisgeben, war auch da schon relevant. Wir verlassen uns schon sehr darauf, dass unsere Geheimnisse sicher sind.
Das eine ist eine Überwachung von außen, dass Daten gehackt oder geleakt werden. Im Stück aber ist es eine, vom Gruppenzwang vielleicht mal abgesehen, freiwillige Offenlegung.
Das ist natürlich auch ein Nervenkitzel. Jeder denkt, "mir kann heute Abend nichts passieren" oder "ich weiß, wie ich damit umgehe". Sie basteln sich ihre Ausreden zusammen, die Neugier ist größer als die Vorsicht. Im Grunde sind sie alle Spieler, die die Herausforderung annehmen.
Liegt der Reiz für Sie darin, dass das Ganze trotz allem in Form einer Komödie stattfindet?
Auf jeden Fall, die Komödie hält ja die größten Tiefen bereit. Lustig wird es immer, wenn die Leute aus Not etwas machen müssen. Wo keine Not ist, ist es auch nicht lustig. Wenn es anfängt, nach Mensch zu riechen, dann wird es komisch.
Ich musste die ganze Zeit an diese Frage aus den Tagebüchern von Max Frisch denken: "Halten Sie Geheimnislosigkeit für ein Gebot der Ehe oder finden Sie, dass gerade das Geheimnis, das zwei Menschen voreinander haben, sie verbindet?"
Sehr gute Frage. Ich kann die Position von Rocco durchaus nachvollziehen, der sagt: "Ich will deine Geheimnisse gar nicht wissen." Vielleicht sind wir alle viel zu verletzlich, um mit Geheimnissen zu spielen.
Vielleicht ist die völlige Geheimnislosigkeit eben doch kein erstrebenswerter Zustand.
Das könnte man durchaus so sehen.
Premiere am 11. April,19.30 Uhr. Bis 19. Mai in der Komödie im Bayerischen Hof, Telefon 29 28 10
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