Kleists "Penthesilea", inszeniert von Johan Simons

Salzburger Festspiele: Johan Simons inszeniert Heinrich von Kleists Drama „Penthesilea“ mit Sandra Hüller und Jens Harzer als großes Schauspielertheater im Landestheater
Michael Stadler |
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Sandra Hüller und Jens Harzer spielen Kleists "Penthesilea" als Zweipersonenstück.
Monika Rittershaus 8 Sandra Hüller und Jens Harzer spielen Kleists "Penthesilea" als Zweipersonenstück.
Sandra Hüller und Jens Harzer spielen Kleists "Penthesilea" als Zweipersonenstück.
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Sandra Hüller und Jens Harzer spielen Kleists "Penthesilea" als Zweipersonenstück.
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Hinten im Dunkeln machen sie sich schon mal bereit für das, was gleich an Paarläufen und Zweikämpfen, an Missverständnissen und Annäherungen kommen wird: Penthesilea und Achilles, zwei sportliche Figuren im Salzburger Landestheater, beide im dunklen Rock, weil beide Geschlechter einen Rock geschmeidig wie elegant tragen können, und beide in ständiger Bewegung, als ob die Regie dem spielenden Duo erstmal ein Warmmachen gönnen will. Schließlich müssen diese zwei allein diese zusammengedampfte Version von Kleists Mythenbearbeitung „Penthesilea“ stemmen.

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Allen Ballast, die ganze antike Umwelt hat Dramaturg Vasco Boenisch in seiner Textfassung entsorgt. beziehungsweise, er hat den kondensierten Text in die Köpfe der beiden Hauptfiguren hineingelegt, als ob sie all das, was die Kriegsparteien der Griechen und Amazonen von sich geben, verinnerlicht haben, so dass sie problemlos das Trauerspiel auch zu zweit durchspielen können, ohne die anderen.

Wimmelt die Vorlage von Mauerschauen und Botenberichten, erzählen Achill und Penthesilea nun von sich selbst, teilweise in der dritten Person. Etwa, wie sie, die Amazonenkönigin, sich mit ihrem Volk weder auf die Seite der Griechen noch auf die Seite der Trojaner schlagen, sondern alle bekämpfen will und ihn, Achilles, jagt und dann doch rettet. Und wie er wiederum sie jagt und rettet.

Eine Distanz zu dem Erlebten bleibt bestehen, und doch kommt nun alles wesentlich unvermittelter herüber, nicht als Nacherzählung, sondern als Realität, die im Akt des Erzählens vor Augen entsteht.

Strategien und Täuschungen

Dabei ist das Erzählen immer ein Ausprobieren, der immer wieder anrührende Versuch, die Aktionen und handelnden Personen in Worten zu greifen. Sandra Hüller und Jens Harzer werfen sich gleich beim Warmlauf im Dunkeln gegenseitig Zuweisungen zu. Sie nennt ihn „Neridensohn“, er sie „Königin“ und so weiter, aber die Aufzählung bringt keine Klarheit, sondern setzt nur Streiflichter auf die jeweilige Identität. Wobei die beiden sich in der Folge im Wust der Strategien und Täuschungen, in das sich echtes, wahrhaftiges Gefühl hineinmischt, fast wie in einer Komödie ständig entwischen.

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So, wie die leere, vorne durch ein Lichtrechteck von unten erhellte Bühne von Johannes Schütz ohne Kriegsrequisit auskommt, so allgemeingültig, also fern des Trojanischen Kriegs, konzentriert sich die Inszenierung von Johan Simons auf die Begegnung zweier Menschen, die sich begehren und dabei nun mal Frau und Mann sind, sich aber so gar nicht in irgendwelche Rollenbilder einpassen möchten.

Klar, Achilles ist ein großer Krieger, der Bezwinger Hektors und, so steht es bei Kleist, ein von sich überzeugter Frauenheld. Doch Jens Harzer gibt ihm einige weiche Noten, tänzelt Arme wedelnd herum, macht die Bemühungen des Verliebten, sich in die Geliebte einzufühlen, eindringlich spürbar.

Als Penthesilea ist Sandra Hüller eine burschikose Amazone, kein hartes Mannsweib, sondern eine selbstbewusste, verspielte Frau, die aus der Tradition ihres Volkes heraus einen Kämpfer bezwingen muss, um diesen als Mann nehmen zu können.

Auf Augenhöhe stehen Penthesilea und Achilles und auf Augenhöhe stehen Sandra Hüller und Jens Harzer sich und ihrem Regisseur gegenüber. Ihre Schauspielkunst trägt den Abend, so war das zu erwarten. Und Johan Simons lässt ihnen Raum zur Entfaltung, erzeugt diese luftige Spielatmosphäre, die man aus seinen anderen Arbeiten, auch aus seiner Münchner Zeit, kennt, die man vermisst oder vielleicht nie ganz so gerne hatte, weil das Schaffen von Kunst in allem künstlerischen Selbstbewusstsein einen ganz eigenen Dünkel an sich hat.

Die Kammerspiele in Bochum

Ab nächster Saison wird Simons als Intendant das Schauspielhaus Bochum leiten, Vasco Boenisch ist der Chefdramaturg an seiner Seite. Sie werden diese Inszenierung aus Salzburg mitnehmen, mit den neuen Ensemblemitgliedern Sandra Hüller und Jens Harzer. Andere Bekannte aus alten (Kammerspiele-)Zeiten kommen ebenfalls nach Bochum, Anna Drexler, Steven Scharf oder Benny Claessens zum Beispiel.

Wenn man sich nun „Penthesilea“ anschaut, kann man verstehen, dass diese Weggefährten ihrem Chef, falls denn möglich, überallhin folgen, wohin es ihn seinen Sinn verschlägt. Es droht keine Unterordnung bei Simons, weder unter ein Thema noch unter eine (Geschlechter-)Hierarchie.

Dieses Versprechen liegt zumindest in der Luft. Wie man stets um diese Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung kämpfen muss, wie die Balance immer wieder zu kippen droht, genau davon handelt auch das Kleistsche Drama, dessen Essenz Vasco Boehnisch so geschickt herausdestilliert hat.

Die Achillesferse

Nach all den Hetzjagden finden Penthesilea und Achilles zu einer ruhigeren Zweisamkeit. Sie erzählt von ihren Beweggründen, der Geschichte ihres Volkes; er hört ihr genau zu. Die beiden werden körperlicher, tauschen Küsse aus. Achilles präsentiert seine verwundbare Ferse. Penthesilea küsst sie, beißt in diese Schwäche hinein, was in seiner Zärtlichkeit und Direktheit auch von Liebe zeugt.

In einer engen Umarmung am Boden enttarnt Achilles, dass die kurz bewusstlose Penthesilea nicht ihn erobert hat, sondern er sie, was die Harmonie wieder kippen lässt und das Drama auf seine tragische Bahn zurückbringt. Achilles will zum Schein final mit Penthesilea kämpfen, um sich von ihr überwältigen zu lassen. Sie aber zerfetzt ihn im Rausch ihrer Wut und bringt sich daraufhin selbst um.

Achilles Ende spielen Sandra Hüller und Jens Harzer gleich zweimal durch, vorne an der Rampe, während sie ihn von hinten umarmt. In der Wiederholung tauschen sie den Text, machen ihn zum Material, das zwischen den Geschlechtern changieren kann.
Was Vasco Boenisch aus der Mitte des Kleist-Texts nochmal ans Ende setzt, ist die Frage, ob das Opfer der Täterin, die Täterin dem Opfer vergeben kann. „Von ganzem Herzen“ heißt es da, zeitversetzt aus beider Mund. Wer liebt, kann verzeihen. Und bleibt auf Augenhöhe, egal, auf welchem Schlachtfeld man sich gerade befindet.
  
Landestheater, wieder am 1., 5., 6., 7., 8. und 9. August, Restkarten. Infos unter www.salzburgerfestspiele.at
 

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