Klavierkabarettist Bodo Wartke im Circus Krone: In Reimkultur

München - Klavierkabarett in Reimkultur" - so bezeichnet der Wahlberliner Bodo Wartke seine Kunst. Seine vertonten Geschichten sind ein Spiel mit den Möglichkeiten, die das Leben bietet. Nachdenklich und unterhaltsam zugleich geht es bei ihm poetisch, politisch, prägnant zu.
AZ: Herr Wartke, wie sehr freuen Sie sich auf München?
BODO WARTKE: Ich habe hier Verwandte, Freunde und hatte auch wider Erwarten sehr viel Spaß auf dem Oktoberfest – obwohl ich keinen Alkohol trinke. Nicht aus Prinzip, sondern weil ich die meisten alkoholischen Getränke nicht mag.
Wartke über sein Wiesn-Erlebnis: "Ein sympathisches Gemeinschaftsgefühl"
Erzählen Sie doch mal vom Wiesn-Besuch!
Till Hofmann hatte seine komplette Belegschaft aufs Oktoberfest eingeladen, dazu alle Künstlerinnen und Künstler, die gerade da waren. Ich dachte: "Das guckst du dir mal an." Ich bin rein ins Zelt und sagte mir, hier bleibe ich keine fünf Minuten! Hatte aber total Hunger, Durst und diese Verzehrgutscheine für Backhähnchen und Bier... Das erste Lied der Kapelle war "Da simmer dabei, dat is prima", und ich dachte: "Ha! Kulturelle Aneignung!" Aber dann sangen die nicht "Viva Colonia", sondern "Viva Bavaria" – eine vertretbare Adaption! Nach fünf Zentimetern Bier geschah etwas Merkwürdiges, das ich so noch nie erlebt hatte: Meine Wahrnehmung fing an sich zu ändern. Ich dachte: "Ach, eigentlich ist die Musik gar nicht so schlecht. Und die Leute hier sind mir alle sympathisch." Zum Beispiel der Typ neben mir, bei dem ich mich an die Schulter lehnte. Das war Keno von Moop Mama, den ich gerade erst kennengelernt hatte. Jetzt verstand ich das Konzept des Oktoberfests – und hatte richtig Spaß! Wie sich wildfremde Menschen auf diesem Teufelsrad solidarisieren, damit sie nicht runter geschleudert werden! Ein ganz tolles, sympathisches Gemeinschaftsgefühl.
Wartke und die Corona-Pause: Neue Kompetenzen in Sachen Kochen
Gab's ja auch länger nicht. Wie sind Sie durch die Corona-Pause gekommen?
Seelisch unbeschadet. Es sind andere Dinge in den Fokus gerückt. Ich habe viel Zeit mit der Familie verbracht, auch mit meinem Vater, der leider verstorben ist. Ich habe meinem Sohn beim Aufwachsen zugesehen - und mir, was das Kochen betrifft, ganz neue Kompetenzen angeeignet. Ich hab's jetzt voll drauf!
Was können Sie gut?
Ich habe das Glück, dass mir fast jedes Gericht auch gelingt, so dass mein Sohn sagt: "Gut gekocht, Papa! Schmeckt besser als von der Mama." Dazu muss man wissen, dass meine Frau in Sterne-Restaurants gekocht hat.
Nun spielen Sie mit gerade mal 45 schon Ihr Best of Lebenswerk.
Es ist erst mal bemerkenswert, wie früh ich angefangen habe und mit was für einer großen Selbstverständlichkeit. Wie schnell diese beachtliche Zeit von 26 Jahren auf der Bühne rumgegangen ist! Hätte ich nicht gedacht. Ist aber oft so, wenn man Sachen macht, die einem Spaß machen.
Bodo Wartke: "Ich bin sehr selbstbewusst der Kunst gegenüber"
Wie anders ist dieser 20-jährige Bodo aus der heutigen Perspektive?
Ich wundere mich über diese absolute Selbstverständlichkeit, mit der ich auf die Bühne gegangen bin: "Ich hab' mir ein Lied ausgedacht. Das sing' ich euch jetzt mal vor." Das war für mich völlig klar! Was mir aber in der Rückschau peinlich ist: das Rumgezappel auf der Bühne. Im Adoleszenzüberschwang warf ich da sehr fahrig mit sämtlichen Gliedmaßen um mich. Aber was die Leute damals schon in den Bann zog, war die Spielfreude, die Freude an der Sprache, am Reim. Ich würde mich nicht als wahnsinnig selbstbewussten Menschen bezeichnen, ich bin aber sehr selbstbewusst der Kunst gegenüber. Die hat mich bislang auch nie im Stich gelassen.
Auf Ihrer Website haben Sie die fünf beliebtesten Songs wählen lassen, natürlich liegt "Ja, Schatz" vorn, gefolgt vom "Liebeslied", den im Millionen-Bereich liegenden YouTube-Rennern. Sind die einem nicht irgendwann über?
Ach, ich spiele die schon gerne, und ich freue mich darüber, wenn Leute die zum ersten Mal hören und vor Lachen fast vom Stuhl fallen, weil sie so was nicht erwartet haben. Die neuesten Lieder sind mir natürlich akut wichtig, weil die sich mit Themen beschäftigen, die mich gerade umtreiben.
Bodo Wartke: "Ich gebe mich selten mit dem erstbesten Reim zufrieden"
In wie vielen Sprachen singen Sie das "Liebeslied" mittlerweile?
Aufgenommen haben wir 88 Sprachen. Es gibt noch ein paar mehr, aber da muss ich nochmal überprüfen, ob ich das richtig ausspreche. Man soll ja als Muttersprachler verstehen, was ich da singe. Es ist ja keine Parodie einer Sprache, sondern ernst gemeint. Jedenfalls ein Lied, an dem ich bis zu meinem Lebensende arbeiten werde.
Sie arbeiten nach dem Pumuckl-Prinzip: Was sich reimt, ist gut".
Ich gebe mich aber selten mit dem erstbesten Reim zufrieden, frage mich immer: Geht's vielleicht noch geiler? Kriege ich nen Doppelreim hin oder eine ganze Reimkaskade? Man muss aufpassen, dass es nicht um des Reimes Willen geschieht und damit kokett selbstverliebt wird. Besonders schön ist es, wenn Reime passieren, wo man es nicht erwartet, wo sie dadurch witzig sind. Reime musikalisieren die Sprache, bringen sie zum Klingen, befinden sich bereits auf der Schnittstelle zwischen Musik und Sprache. Darum geht's mir letztlich: nicht nur etwas auszusagen, sondern dafür zu sorgen, dass es auch noch schön klingt. Reime sind wichtige Reisegefährten auf meiner Mission.
Bodo Wartke: "Kitesurfen war ich seit fünf Jahren nicht mehr"
Macht aber viel Arbeit.
Ja, sicher! Aber die Fron lohnt sich. Bislang bin ich immer auf dem Gipfel angekommen, auch wenn ich mal zurück ins Basislager musste.
Ihre Hobbys sind Kitesurfen und Snowboarden. Eher untypisch für einen Kleinkünstler. Einmal haben Sie sogar einen Schädelbruch erlitten.
2005 in Arosa bin ich mit dem Snowboard gegen den Pfeiler einer Liftanlage gekachelt, über den Absperrzaun geflogen und im Kiesbett gelandet. Ich kann mich an den Unfall nicht erinnern, hatte das Bewusstsein verloren und kam erst im Krankenhaus wieder zu mir. Ich kann mich auch an die fünf Minuten davor nicht erinnern. Der Arzt meinte: Bei so einem Unfall ist man in der Regel vom Hals abwärts querschnittsgelähmt. Oder tot. Seitdem fahre ich nicht mehr so kamikazemäßig. Und Kitesurfen war ich seit fünf Jahren nicht mehr.
Bodo Wartke tritt am Montag, 3. Oktober, um 19 Uhr im Circus Krone auf. Karten: www.muenchenticket.de, 26 bis 47 Euro