Klaus Florian Vogt: Musikunterricht ist wichtiger als Mathe
Vogt wurde 1970 in Heide, Schleswig-Holstein geboren. Er spielte bis 1997 Horn im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Ein Jahr später wechselte er als lyrischer Tenor nach Dresden. Seit 2002 singt er im Wagner-Fach.
Im Sommer sang er die Titelrolle in Wagners "Parsifal" bei den Bayreuther Festspielen. Nächstes Jahr wird er dort als Stolzing in den "Meistersingern von Nürnberg" zu hören sein. Aber Klaus Florian Vogt beherrscht auch die intime Kunst des Liedes. Beim Festival der Nationen gastiert er am 27. September mit Franz Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin". Sein Partner ist Helmut Deutsch am Klavier.
AZ: Herr Vogt, steckt in Ihnen ein Stück Parsifal, Lohengrin oder Stolzing?
KLAUS FLORIAN VOGT: Wo sonst hat man schon die Möglichkeit, positive Helden zu verkörpern? Die Dramatik, die in all diese Rollen steckt, machen die Figuren farbiger und für das Publikum intensiver erlebbar. Schon als Kind liebte ich die Welt der Mythen und Sagen. Ihre Charaktere haben mich angezogen, wobei die Bösewichte darin so gar nicht meines waren und bis heute nicht sind. Ich bin einfach lieber ein Guter als ein Böser! Ganz im Gegenteil zu meinem jüngsten Sohn, er verschlingt Fantasy-Romane und steht auf die düsteren Gestalten.
Sie kommen aus Norddeutschland und singen in New York, Madrid, Paris oder Tokio. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
In Schleswig-Holstein. Ich lebe dort mit meiner Familie in einem kleinen Dorf, und besonders mag ich den norddeutschen Humor, der für mich "Heimat" bedeutet. Musikalisch zu Hause fühle ich mich in Bayreuth, wo ich fast drei Monate des Jahres verbringe. Das ist mittlerweile eine Art zweite Heimat für mich, da dies der einzige Spielort ist, zu dem meine Familie mich begleiten kann. Ich genieße das sehr, Beruf und Familie verbinden zu können, da mein jüngster Sohn, der ja noch zur Schule geht, in der Probenzeit der Bayreuther Festspiele und auch während des Festivals selbst Ferien hat. Ein Künstler wie ich, der weltweit gastiert, ist wahnsinnig viel alleine.
Es wird oft geklagt, dass so wenig jüngere Leute in Konzerte gehen. Wie lässt sich das ändern?
Die Begeisterung für klassische Musik muss bereits in der Schule passieren, ich finde die momentane Entwicklung sehr bedenklich. Im Zuge des achtjährigen Gymnasiums bleibt keine Zeit für privaten Musikunterricht außerhalb der Schule, und dann werden auch noch Musikstunden vom Stundenplan zu Gunsten von Mathematikunterricht gestrichen, der in meinen Augen völlig an der Praxis vorbei geht. Das ist ein Kulturverlust und tatsächlich der falsche Weg. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder, die ein Instrument spielen, auch besser lernen können. Die Folge hiervon ist, dass die Jugend nicht mehr für klassische Musik und Theater begeistert werden kann und keiner mehr ins Konzert geht. Unser musikalischer Nachwuchs stirbt aus, und somit haben die Konzerthäuser und Theatersäle mit immer noch weniger Besuchern zu kämpfen.
Anfang September gastieren Sie mit Schuberts "Die schöne Müllerin" in Bad Wörishofen. Was ist das Besondere an einem solchen Liederabend?
Die Aufführung einer Wagner-Oper lebt von dem großen Gesamterlebnis aus Sängern, Orchester und Kulisse. Bei einem Liederabend hingegen herrscht eine sehr viel geringere Distanz zum Publikum, das macht das Ganze viel intimer. Für mich als Künstler ist beides ganz ähnlich, ich schlüpfe genauso in die Rolle des Müllerburschen wie sonst in einen Lohengrin oder Stolzing. Bei "Die schöne Müllerin" in Bad Wörishofen singe ich 20 Lieder. Jedes Lied in sich erzählt eine Geschichte, ist eine Station. Alle 20 Lieder im Ganzen werden zu einer Art Reise. Mein Ziel ist es, das Publikum auf diese Erlebnisreise mitzunehmen.
"Festival der Nationen" in Bad Wörishofen ab Samstag, 24. September. Am 27. September singt Klaus Florian Vogt, begleitet von Helmut Deutsch, Franz Schuberts "Die schöne Müllerin". Karten unter 08245 960 963
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