Klare Strukturen im Ehegefängnis

Residenztheater: Martin Kuš?ej kann Ibsens „Hedda Gabler” nicht modernisieren
Michael Stadler |
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Residenztheater: Martin Kušej kann „Hedda Gabler” nicht modernisieren

Es ist alles glasklar lesbar: Eine deutliche Handschrift hat Martin Kušej entwickelt, so deutlich, dass man sich nur fünf Minuten seiner Inszenierung von „Hedda Gabler” ansehen muss, um einige Déjà-Vus zu erleben. Zu Beginn: die Ambient-Musik von Jan Faszbender, die einen dräuenden Noir-Ton setzt. Dazu ein Bühnenbild ohne Schnickschnack (Annette Murschetz): das Ambiente einer Villa, angedeutet durch eine weiße Wand mit zwei Türen. Der Rest des Raumes verliert sich im Dunkeln. Es herrscht stilisierte Kälte in Schwarz-Weiß. Und wie zuletzt bei „Petra von Kant” werden die Szenen auf- und abgeblendet. Harte, filmische Cuts.

Entschlossen hineingeschnitten hat Kušej auch in Ibsens Drama von 1890, hat das Werk auf zwei Stunden eingedampft, was zu Beginn bedeutet, dass er gleich mal die Figur des Dienstmädchens der Tesmans hinausgeworfen hat. Das bringt etwas mehr Zug hinein, aber Barbara de Koy muss nun als Tesmans Tante einen zusammengeschusterten, erklärenden Monolog halten, und das Herren-Diener-Verhältnis geht flöten. Allein durch die Kostüme wird die bürgerliche Oberschicht erkennbar. Die Modernisierung hält sich so stark in Grenzen.

Ein Konversationsdrama entfaltet sich, in dem die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen schwer wiegen und die Figuren erstarrt in ihren Positionen einen unterschwelligen Kampf ausfechten. Jørgen Tesman ist dabei nicht der wohlmeinende Wissenschaftler, der seine Frau Hedda ungewollt im öden Ehegefängnis hält, sondern wird als permanent Ahnender, aber doch irgendwie als Trottel inszeniert. Eine unlösbare Aufgabe für Norman Hacker. Von Anfang klarer ist die Haltung von Hedda: Birgit Minichmayr macht die Verzweiflung und den Teufel, der in ihr wütet, gekonnt sicht- und hörbar: Die Arme kreuzt sie vor der Brust und schießt ihre Giftpfeile ab, hält dann nur noch einen Arm vor den Körper, um am Ende die Abwehrhaltung ganz aufzubrechen. Ein Feuer lodert auf der Bühne, wo sie die Manuskriptseiten ihres ehemaligen Lovers Løvborg (Sebastian Blomberg) verbrennt.

Mehr als gestelztes bürgerliches Theater ist das nicht; die Inszenierung bleibt an dem Geist, den die historischen Kostüme ausströmen, haften. Løvborg bringt sich nach einer trunkenen Nacht um, Hedda wird von dem um ihre Intrigen wissenden Richter Brack (Oliver Nägele) erotisch erpresst und bringt sich lieber im Dunkeln um. Dass dieser Selbstmord Tesman und die Løvborg-Verehrerin Thea (Hanna Scheibe) nicht jucken soll – stattdessen ordnen sie achselzuckend die Papiere Løvborgs – ist eine bemüht böse Pointe, die auch noch die Menschlichkeit der Figuren verrät. 

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