Kirill Petrenko triumphiert mit Wagners "Ring"-Auftakt

 Die Bayreuther Festspiele haben ihren ersten Star. Frank Castorfs Regie aber wirkt sehr unfertig.
von  Robert Braunmüller

Die Bayreuther Festspiele haben ihren ersten Star, die Regie wirkt unfertig.

Bayreuth - Nach einer guten Viertelstunde „Rheingold“ war klar: Diese Bayreuther Neuinszenierung wird als Petrenko-„Ring“ in die Geschichte eingehen. Und wir Münchner können uns Freude, mit dem Nachfolger Kent Naganos an der Bayerischen Staatsoper einen ordentlichen Wagner-Dirigenten gegen den Genialischen einzutauschen. Schon beim tiefen Es der Kontrabässe überraschte die unglaubliche Klang-Präsenz des Orchesters, das noch am Tag zuvor in Thielemanns „Fliegendem Holländer“ wie hinter einem dicken Vorhang gespielt hatte.

Der Bayreuth-Debütant Kirill Petrenko kam mit der heiklen Akustik des versenkten Orchesters problemlos klar. Er überraschte mit fein abgetönten Schattierungen, leuchtenden Farben und großen Gesten, etwa beim ersten Auftritt des Schwert-Motivs. Dieser Dirigent hat einen klaren Sinn für die Architektur der Musik, ein untrügliches Gespür für das richtige Tempo und den Charakter des „Rheingold“ als Konversationsstück. Daneben verblasst selbst die Erinnerung an Thielemanns „Ring“. Frank Castorfs Inszenierung spielt in einem schäbigen Motel an der „Route 66" irgendwo im amerikanischen Mittelwesten (Bühnenbild: Aleksandar Denic). Wotan verschläft dort den Bau seiner nur kurz in einem Fernseher sichtbaren Prachtvilla.

In den besten Momenten hat das den trashigen Charme eines Roadmovie. Der Psycho-Krimi des zweiten Bildes funktionierte ganz gut, alle anderen Szenen wirkten unfertig. Castorfs besonderer Regiestil, der von Unterbrechungen, scheinbaren Improvisationen und Musikeinlagen lebt, ist ohnehin kaum auf die festgelegte Struktur einer Oper zu übertragen. Natürlich wurde die Aktion der Sänger durch live gefilmte Videos verdoppelt, die auf einer große Reklametafel über dem Motel leuchteten. Im besten Fall zeigte Castorf dort im Gegenschnitt Nebengeschichten wie etwa Freias Panik vor der Ankunft der Riesen oder Wotans erotisches Interesse am Rückenausschnitt Erdas (Nadine Weissmann). Aber meistens wurde nur die Mimik der Sänger vergrößert. Gesanglich beeindruckte Claudia Mahnkes stimmschöne, nie keifende und ungemein wortverständliche Fricka. Wolfgang Kochs kräftiger Charakterbariton passte zum drittklassigen Gangsterboss Wotan.

Martin Winklers metallischer Bariton ergänzte den faunischen Charakter Alberichs in der Rheintöchter-Szene gut, beim Fluch wirkte er leicht angegriffen. Die übrige Besetzung war ordentlich (Rheintöchter, Riesen) bis unzureichend (Donner, Froh). Nach dem uninszenierten Einzug der Götter in Walhall gab es kräftige Buhs – offenkundig in Richtung Regie. Dann wurden die Sänger mit abgestuftem Enthusiasmus bejubelt. Die Ablehnung, die Norbert Ernst (Loge) entgegenschlug, wirkte allerdings etwas überzogen. Bei Petrenkos Erscheinen wackelten die Wände, was der Dirigent sanft abwehrte. Castorf und seine Mitstreiter werden sich erst nach der „Götterdämmerung“ am Mittwoch zeigen. 

 

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