Kirill Petrenko dirigiert die "Walküre"

Richard Wagners "Walküre" neu besetzt in der Staatsoper: Jubel für Kirill Petrenko, Buhs für Andreas Kriegenburgs Regie
von  Michael Bastian Weiß

Richard Wagners "Walküre" neu besetzt in der Staatsoper: Jubel für Kirill Petrenko, Buhs für Andreas Kriegenburgs Regie

Dass Andreas Kriegenburg mit Wagners Musik nichts anfangen kann, beweist seine Schnapsidee, zu Beginn des 3. Aktes der „Walküre“ ein Stampf-Ballett junger Tänzerinnen einzufügen. Die enorme Anfangswirkung des Walkürenritts wird so verschenkt, obwohl Meisterdirigent Kirill Petrenko diese Szene mit dem phänomenalen Staatsorchester unerhört subtil darstellt. Warum hat der Regisseur nicht gleich noch ein paar selbstproduzierte Popsongs eingebaut? Kriegenburg inszeniert hier gegen die Musik. Es wird klar, dass die Regie der Musik ihre unendliche Übermacht nicht verzeihen kann – und sich rächt.

Damit werden auch die gelungenen Einfälle der Inszenierung neutralisiert, etwa, dass Wotan im 2. Akt die riesenhafte Bühnenwand scheinbar allein in den Hintergrund schiebt, oder auch die eindrucksvolle Esche im 1. Aufzug, in der Überreste toter Körper hängen (Bühne: Harald B. Thor). Eine nennenswerte Personenregie gibt es aber nicht, die Gesten sind nicht mehr als klischiert: Schwert und Speer werden hilflos in die Höhe gereckt wie anno dazumal. Schließlich führt die Allgegenwart der Bühnenstatisten im 1. Akt dazu, dass die Intimität der Szene von Siegmund und Sieglinde zerstört wird. Nur ein weiterer Fehler einer insgesamt schwachen Inszenierung.

Famose Sänger

Umso deutlicher wird die Übermacht der Musik. Es wird überall auf fabelhaft hohem Niveau gesungen – und gesprochen. Alle Sänger artikulieren so deutlich, dass es die Obertitel eigentlich gar nicht bräuchte. Die glasklare, bisweilen etwas glasig wirkende Stimme des Startenors Klaus Florian Vogt, der den Siegmund gibt, hat mittlerweile an Farbe dazugewonnen. Seine tenorale Kraft ist ohnehin sondergleichen.

Anja Kampe als Sieglinde und Elisabeth Kulman als Fricka überbieten einander mit klangvoller Sprache und differenziertestem Schöngesang. Der Hunding Günther Groissböcks ist schön sinister. Vor allem aber ergänzen sich die Gegenspieler, Thomas J. Mayer als Wotan und Evelyn Herlitzius als Brünnhilde, perfekt: Hier der gediegene Bariton des Göttervaters, dort die unruhig vibrierende Tochter, die mitreißende Gefühle entwickelt.

Der wirkliche Stern dieser Produktion jedoch ist das Bayerische Staatsorchester. Unter Kirill Petrenkos furioser Leitung etablieren die Musiker eine begeisternde kammermusikalische Kultur, sie begleiten so, dass jedes Wort der Sänger verständlich bleibt, können aber gerade in den Zwischenspielen explosive Macht entwickeln: mit schmelzenden Streichern, einem elegischen Holzbläser-Apparat und einem aggressiven, knackigem Blech.

Es ist tragisch, dass die Genialität der Musik und die geistige Stagnation der Regie hier so eklatant auseinanderklaffen. Das störende Ballett bekam – als Einfall der Regie – Buhrufe, Petrenko und das Orchester hingegen stehende Ovationen. Beides zu Recht.

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