Kindern gefällt "Alice im Wunderland"

Für Kinder ab sechs zeigt das Residenztheater eine schrill bunte Revue nach Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“
Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, sagte mal eine Größe des Privatfernsehens. Unser Gewährsmann, siebeneinhalb Jahre alt, hatte anfangs bei „Alice im Wunderland“ einige Bedenken: Das sei doch was für Mädchen und nicht für Jungs wie ihn. Aber er ließ sich doch überzeugen, ging mit ins neue Familienstück des Residenztheaters und war zuletzt davon äußerst angetan.
Die Geschichte: „Sehr gut“. Das Kaninchen: ebenfalls. Die Musik: „Lustig, wie da jemand mit der Blockflöte schnarcht“. Die Darsteller: „Sehr gut“. Die Ausstattung: „Super!“ Würde er seinen Freunden empfehlen, sich die Aufführung anzuschauen? „Auf jeden Fall“.
Schwupps, und wir sind im Wunderland
Mehr ist nicht zu wollen. Die Bühnenfassung von Christina Rast und Götz Leineweber springt ohne größere Umstände ins Kaninchenloch. Der bemalten Kurtine ist zwar zu entnehmen, dass Alice irgendwo in der weiten US-Provinz lebt. Aber das spielt für die Aufführung keine weitere Rolle. Alice beschwert sich kurz, dass die Eltern alles Mögliche von ihr verlangen. Dann grinst die Katze auf dem Klavier. Und, schwupps, sind wir im Wunderland.
Anna Graenzers Alice erinnert unseren jungen Begleiter ein wenig an Aschenputtel. Da ist im positiven Sinne auch was dran. Die ziemlich erwachsene Kratzbürstigkeit der Figur in dieser Fassung hat einen ganz eigenen Reiz. Das Wunderland macht viel Spaß, weil Prospekte und Maschinen nicht geschont werden. Türen fahren auf und ab. Wenn das Kaninchen in Zeitnot ist, sehen wir Salvador Dalís weich gewordene Uhr. Später gibt es dann noch singende Austern und beleidigte Blumen. Sieben Darsteller wechseln rastlos die Kostüme, um vom Mäusemann (Tim Werths) über Diedelidum (Arthur Klempt) und Diedelidei (Wolfram Rupperti) allerlei Figuren darzustellen.
Die Musik reißt es raus
Der Dada-Quatsch und die sinnlosen Dialoge sprechen jüngere Kinder an. Und darauf kommt es an. Erwachsene seien hingegen gewarnt: Beim sprechenden Ei und dem länglichen Auftritt arg sensibler Blumen kann einen der Gähnreiz überfallen. Man muss sich an die zwischen „Dreigroschenoper“ und Country changierende Musik von Felix Müller-Wrobel halten, die allerliebst scheußlich verkleidete Herren am Banjo, Schlagzeug, Posaune und Sousafon virtuos darbieten.
Wenn man zum dritten Mal auf die Uhr schaut, kommt das Pfefferlied in der Küche: Alice haut auf die Töpfe, ein Ferkelbaby und eine Grusel-Köchin singen mit. Wunderbar! Dann verheddern sich zwei bärtige Zwillinge mit ihren Schilder-Hälften bei der Ankündigung einer Pause etwas zäh. Im zweiten Teil zieht sich die Szene mit der Herzkönigin ziemlich in die Länge: Barbara Melzl gibt sie als Schreckschraube mit rot geschminktem Kussmund und viel Theaterdonner.
Unser junger Gewährsmann fand sie „voll dumm“ und in ihrer Maßlosigkeit ganz toll. Und den Henker (Arnulf Schumacher) auch. Weshalb wir um des Familienfriedens keinesfalls widersprechen wollen.
Am Ende mit moralischer Anstalt
Es liegt am Klassiker von Lewis Carroll, dass Bühnenfassungen zur sinnfreien Revue tendieren. Christina Rast unterlässt zusätzlich jedes Bestreben, eine sinnvolle Geschichte daraus zu destillieren. Sie vertraut ganz dem Theaterzauber. Am Ende, wenn Alice aus ihrem Traum erwacht, erinnert sich die Regisseurin kurz an den Bildungsauftrag der moralischen Theater-Anstalt: Alice singt schnell was über die Bedeutung von Träumen im Leben. Und das war’s.
Das ist mehr für Elternohren. Auf dem Heimweg die Frage nach dem Vergleich mit „Robin Hood“ im Vorjahr: Der war doch etwas besser, höre ich. Keine Gefahr, dass nun, wie beim Rächer der Enterbten, eine „Alice“-Welle anrollt, mit allen Büchern und Filmen zum Thema. Robert Braunmüller
Wieder am 26. November, 11 und 16 Uhr, sowie 3., 10. und 26. Dezember und 1. Januar, 16 Uhr, dazu Schulvorstellungen, Infos unter Telefon 2185 1940