Katharina Bach über "Asche" von Elfriede Jelinek

Die Schauspielerin über das neue Stück der österreichischen Nobelpreisträgerin
von  Mathias Hejny
Katharina Bach in "Asche".
Katharina Bach in "Asche". © Maurice Korbel

Sie kam 2020 an die Münchner Kammerspiele und schon im folgenden Jahr wurde sie mit einem Jahresstern der AZ als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Im Mai ist Katharina Bach unter anderem als Shakespeares Ariel (2.), Ibsens Nora (4. Mai) und in Tschechows "Vaterlosen" (25. Mai) zu erleben oder beschäftigt sich mit "Horror und anderen Sachen" (31. Mai). Heute wirkt sie an der Uraufführung eines neuen Stücks der österreichischen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in verschiedenen Rollen mit. Die AZ sprach mit ihr über Elfriede Jelinek und ihren Text "Asche", Trauer, Patti Smith, Nick Cave sowie das Ende der Welt.

AZ: Frau Bach, ist "Asche" ihre erste professionelle Begegnung mit einem Jelinek-Text?

Katharina Bach: Es ist mein erster Jelinek. Das hat mich sehr gefreut.

Auch dieses Stück ist wieder eine durchgängige Textfläche. Rollen entstehen erst, wenn Dramaturgie und Regie einzelne Figuren definieren und herauspräparieren. Wie wird der Text in diesem Fall auf Sie und die fünf Kolleginnen und Kollegen verteilt?

Wir haben zuerst den Text nur gelesen und gehört zusammen mit den verschiedenen Spielerinnen und Spielern, was ich gut fand. Das war besser als ihn alleine am Tisch zu lesen. Dann haben wir erst einmal viel diskutiert und gingen Satz für Satz durch. Jeder hat ja seine eigenen Assoziationen. Dann haben wir über eine lange Strecke hinweg improvisiert und es entwickelten sich Bilder, Figuren, auch Jelinek-Figuren, und Haltungen. Regisseur Falk Richter hat eine große Figurenkonstellation gemacht. Es kommt eine Seherin vor als ein Kassandra-Bild, obwohl das nicht im Text erkennbar ist. Aber man könnte auch Elfriede Jelinek als eine Kassandra wahrnehmen, die eine Apokalypse beschreibt.

Katharina Bach und Svetlana Belesova.
Katharina Bach und Svetlana Belesova. © Maurice Korbel

Welche Figuren spielen Sie in dem Stück?

Ich spiele eine Schiffbrüchige, eine gealterte Frau, eine Ärztin in einem Pflegeheim und eine Wissenschaftlerin. Jeder von uns läuft durch verschiedene Figuren und Assoziationen.

Ein wichtiges Element ist die Trauer über den Tod ihres Ehemannes Gottfried Hüngsberg, der im Sommer 2022 starb. Was erfährt man über diese Ehe?

Man erfährt von dieser Ehe vor allem über den Verlust des Mannes. Es gibt keine Retrospektive auf die gemeinsame Ehe. Was mich daran berührt ist, dass sie nach dem Verlust des Lebensgefährten versucht, an den Ursprung der Welt zurück zu gehen. Sie versucht, sich die Welt zu erklären, versucht, wieder an Gott zu glauben und ihn wieder in Frage zu stellen. Ich habe das Gefühl, dieser Weggefährte, dieser Partner, hat sie durch das Leben getragen.

Gottfried Hüngsberg gehörte zum engeren Kreis um Rainer Werner Fassbinder und arbeitete für ihn auch als Filmkomponist. Findet sich dieser München-Aspekt in der Inszenierung wieder?

Nein. Fassbinder kommt nicht um die Ecke.

Katharina Bach mit Ulrike Willenbacher in "Asche".
Katharina Bach mit Ulrike Willenbacher in "Asche". © Maurice Korbel

Welcher Weg führt von der individuellen Erfahrung zur globalen Perspektive?

Er verläuft elliptisch. Sie ist sprunghaft und man hat das Gefühl, sie schreibt sehr assoziativ. Es scheint, sie sitzt am Schreibtisch, sieht ein blaues Blümlein und im nächsten Moment ein Auto, das im Halteverbot steht. Das fließt alles durch sie hindurch in ihrer Einsamkeit und Trauer. Und immer wieder kehrt sie zur Zerstörung der Erde zurück und nennt uns als Täter: "Was waren wir doch für böse Gäste!"

Das ist schon in der Vergangenheitsform.

Im Prinzip haben wir die Erde schon zerstört. Sie gibt auch ihre eigene Körperlichkeit hinein, den Zerfall ihres explizit weiblichen Körpers, und gleichzeitig schreibt sie vom Zerfall oder der Zerstörung der Welt, die sie allerdings als Erda oder Gaia bezeichnet, also ebenfalls explizit weiblich.

Svetlana Belesova, Katharina Bach und Bernardo Arias Porras in "Asche".
Svetlana Belesova, Katharina Bach und Bernardo Arias Porras in "Asche". © Maurice Korbel

Wenn wir uns mit der Schöpfung und der Entstehung unsere Planeten beschäftigen, reden wir über einen Zeitraum von viereinhalb Milliarden Jahren. Wie bekommt man das in einen Abend?

In knapp eindreiviertel Stunden. Es gibt eine Videoebene, die sich mit dem Alterungsprozess auch von uns Spielerinnen beschäftigt, oder wir werden als neue Cyborgs zusammengefügt. Trotzdem taucht auch Hesiod auf, und so hat man die Spanne vom ersten geschriebenen Wort darüber, wie die Welt wohl entstanden ist, bis zur KI-Videotechnik.

"Asche" in den Kammerspielen.
"Asche" in den Kammerspielen. © Maurice Korbel

Die romantischen Momente kommen mit den "Liedern eines fahrenden Gesellen", die Jelinek mehrfach zitiert. Dem Vernehmen nach singen Sie auch, aber nicht Gustav Mahler.

Das hat Falk Richter eingebracht: "My Madrigal" von Patti Smith. Sie hat mit Ende 40 auch ihren Mann verloren, die darin über den Tod und den Abschied einer Liebe singt.

Sie sind eigentlich bekannt für ihre Konzerte mit Ihrer Band Bitchboy und Songs von Nick Cave.

Den habe ich leider nicht untergebracht. Aber mit Patti Smith komme ich auch ganz gut zurecht, das ist absolut okay, denn ich verneige mich vor ihr.

Münchner Kammerspiele, Premiere am 26. April, weitere nächste Vorstellungen 6., 8., 16., 21. Mai, 20 Uhr, Karten unter Telefon 23396600

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