Kritik

Karsten Kaie in der Drehleier: Höhlen und Höhen im Futur Zwei

Witzige Überlänge: Karsten Kaie in der Drehleier mit seinem neuen Programm "Vergiss es!"
von  Mathias Hejny
Karsten Kaie und die Pflegerobbe Paro Alexa.
Karsten Kaie und die Pflegerobbe Paro Alexa. © Siegfried Kerpf

Wir schreiben das Jahr 2068. Der greise Comedian erinnert sich an sein langes und ereignisreiches Leben. Er ist ein echter Achtundsechziger. 

Pflegeroboter in Gestalt eines niedlichen Robbenbabys

Nicht, dass er damals gegen 1.000-jährigen Mief auf die Straße gegangen wäre. 1968 ist sein Geburtsjahr. Jetzt ist er 100, lässt sich von einem Pflegeroboter in Gestalt eines niedlichen Robbenbabys versorgen und von einer besonders aufmüpfigen Version von Siri nerven.

Um die Jahrhundertwende hatte Karsten Kaie großen Erfolg mir dem Solo-Bühnenstück "Caveman", das er mehr als 2.000 Mal bis in die Zwanziger Jahre hinein gespielt hat. Und nichts, was der heute 54-Jährige vorher und nachher tat, war vergleichsweise triumphal. Die folgenden Programme "Lügen, aber ehrlich" und "Ne Million ist so schnell weg" wurden mit der Paraderolle des Höhlenmenschen, der sich mit erstaunlich zivilisationsnahen Problemen herum schlägt, beworben.

Karsten Kaie erzählt von Tanzstunden in "Aukschpurk" 

So ist das auch mit der aktuellen Show "Vergiss es!", die nach zweijährigem Aufenthalt in der pandemischen Warteschleife und Voraufführungen in seiner Geburtsstadt Augsburg sowie in der Leipziger Pfeffermühle endlich in der Drehleier seine offizielle Premiere erlebte.

Karsten Kaie erzählt von den Tanzstunden in "Aukschpurk" und seiner Flucht aus dem gemütlichen Schwaben mit seinen stets übellaunigen Bewohnern ins brodelnde Berlin zur Zeit des Mauerfalls.

Gespieltes Futur II übernimmt nach der Pause 

Hier lernte er, seine im Umgang mit den Mitmenschen immer hinderliche Freundlichkeit zu zügeln und brachte sich Dialoge bei wie diesen: "Haste Tomaten uff de Ohren, du Sackjesicht?" - "Aufe Fresse, Wichser!"

Nach der Pause wird der Abend zum gespielten Futur II und man erfährt, zum Beispiel, dass Johann Friedrich Kretschmann, genannt JFK, anno 2036 Bundeskanzler geworden sein wird und sich genau so anhört wie sein Vater, der derzeit Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist.

30 Minuten kürzen - und das Ganze reift zu einem großen Comedy-Event 

Parodien und Stimmenimitationen gehören zu den Glanznummern, und Kaie quasselt sich durch die gesamte Politprominenz, durch die bunte Welt der Stars und Sternchen und bringt aufs Erheiterndste die deutsche Dialektlandschaft zum Leuchten.

Kaie übt mit den Männern, den Satz "Ich liebe dich" zu sagen, ohne rote Ohren zu bekommen, präsentiert eine komplette Late-Night-Show, wird sogar Oscar-Gewinner und noch viel mehr.

Nach drei Stunden räumte er am Premierenabend vor erschöpftem Publikum selbst ein, noch ein wenig straffen zu müssen. Wenn sich der Komiker und sein Regisseur Heinz Kreidl trauen, auf die weniger zündenden Pointen zu verzichten, könnte "Vergiss es!" eine gute halbe Stunde kürzer sein und zu einem Comedy-Event reifen, das man so schnell nicht vergisst.


Theater Drehleier, 13. und 14. Mai, 20 Uhr, Telefon 482742

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