"Kaoshüter" im Lustspielhaus: Organisierter Rausch
Sie hatte ursprünglich den Plan, erzählt sie dem Publikum, die Zuschauer an den Seiten auf Trapezen zu platzieren und in der Mitte des Lustspielhauses ein Becken mit Delfinen aus dem Boden aufsteigen zu lassen. Aber Hausherr Till Hofmann habe Bedenken geäußert, vor allem wegen der Säulen im hinteren Bereich und den Wanddurchbrüchen zur Küche hin. Auch die Hula-Hoop-Nummer, die Anna Mateur auf dem Plakat für ihre München-Premiere ankündigte, fällt aus, denn der Koch des Lustspielhauses koche einfach zu gut.
"Kaoshüter": Das Chaos ist nur scheinbar das Gegenteil von Ordnung
Deshalb liegen die Hula-Hoop-Reifen eng am XXL-Bauchumfang und drehen sich nicht mehr beim Schwung der Hüfte. Aber weder kreiselnde bunte Reifen noch Delfine hat man am Ende der Show bei der Walküre der Kleinkunst, "der Großkunst und irgendeiner Kunst" vermisst. Und das Chaos, das sie in ihrem Programm "Kaoshüter" pflegt, ist nur scheinbar das Gegenteil von Ordnung. Auch, wenn sie ihre traumhaft schönen Gesangsnummern mit assoziativen Monologen zerquatscht, ist hier feinstes Comedy-Handwerk wirksam.
Die überzeugte Dresdnerin ist Sängerin, Musikerin, Schauspielerin und Kabarettistin, und das manchmal gleichzeitig. Begleitet von der Band The Beuys, die aus den beiden Gitarristen Kim Efert und Samuel Halscheidt besteht, singt sie nicht nur eigene Songs, sondern interpretiert auch Stücke wie den Neue-Deutsche-Welle-Hit "Goldener Reiter" von Joachim Witt oder den Tom-Waits-Walzer "Innocent When You Dream" auf das Hinreißendste. Dabei kann ihr ebenso weicher wie voluminöser Mezzo mal wie Nina Hagen klingen, aber auch nach einem Schubert-Abend.
Anna Mateur: Nichts wäre nicht überraschend
Nichts an einem Auftritt mit Anna Mateur wäre nicht überraschend. Plötzlich steht sie mit Catwoman-Maske und bauchfrei da und eröffnet mit hilfloser Feierlichkeit in sächsischem Säuseln den ersten Swinger-Club der Gemeinde Zschorke, der nicht nur den Tourismus in der Gegend fördern soll, sondern auch die Geburtenrate. Dann singt sie "Übereinander, nebeneinander. Organisierter Rausch in der Pampa".
An anderer Stelle spielt sie den Sound eines Altenheims oder eines Kameradschaftsabends nach, und in solchen Momenten lässt sie der bösen Satirikerin in sich Ausgang. Dabei nährt sie sich sowohl von ihrer Kindheit in der DDR als auch dem Alltag im postsozialistischen Sachsen und seinen Rechtsradikalen. Die Lockdowns habe sie genutzt, um sich "systemrelevant" umschulen lassen zur Kampfhundausbilderin und zur Truppenbetreuung besuchte sie Soldaten im Homeoffice.
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