Prominenter Neuzugang bei den Münchner Kammerspielen
Den vielleicht wichtigsten Satz sagt die Intendantin ganz am Schluss dieser Pressekonferenz: "Wir wollen das Theater der Stadt sein!" Die ersten Jahre von Barbara Mundels Intendanz an den Münchner Kammerspielen waren schließlich holprig, Corona nicht der einzige Grund, warum sich Teile des Stammpublikums verabschiedeten oder umorientierten.
Münchner Kammerspiele: Die Kehrtwende der Intendanz?
Es wurde ein "Kammer-Rat" einberufen, ein Austausch-Gremium zwischen Stadt und Theater, um die Kommunikation zu verbessern und an der Außenwirkung des Hauses zu feilen. Zu wenig hatte sich lange vermittelt, was und für wen da produziert wird. Ob es nun an diesen vertraulichen Gesprächen liegt oder ob sich das Leitungsteam einfach eingespielt hat? Man weiß es nicht, und vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Denn: die nun zu Ende gehende Spielzeit könnte so etwas wie eine Kehrtwende der Intendanz Mundel bedeuten.

Ohne die eigenen Werte und das so ambitionierte wie wichtige Ziel, Theater inklusiver zu machen, zu verraten, haben die Kammerspiele zuletzt jede Menge Highlights produziert. Ob es der wunderbare Solo-Abend der Schauspielerin Annette Paulmann ("Fünf bis sechs Semmeln und eine kalte Wurst") ist, der Psychothriller "Als lebten wir in einem barmherzigen Land" nach L.A. Kennedy, die Komödie "Doping" von Nora Abdel-Maksoud oder Madame Nielsens durchgeknalltes Musical "Very Rich Angels": Es gab hier jede Menge großartiges Schauspiel, das Ensemble durfte wieder zeigen, was es drauf hat, und alle Register ziehen von Ernst bis Albernheit, von Trauer bis Glück.
Inklusion wird Normalität
Der Ansatz, das Ensemble inklusiver zu machen, fühlte sich nicht mehr komplett fremd an, sondern ist ein Stück weit zur neuen Normalität geworden. Die Tanzperformance "In Ordnung" von Doris Uhlich feierte die Verschiedenheit und das Miteinander und etablierte neue Maßstäbe. Das Festival "All Abled Arts" im Januar versammelte ein langes Wochenende inklusive Produktionen nationaler und internationaler Verbündeter in München, rundete das Ganze mit Gesprächen, Vorträgen und Parties ab. Was hier zu sehen war, brachte viele zum Staunen - und wohl nicht wenige zum Umdenken.
Und auch die Zahlen, die Achillesferse dieser Intendanz, scheinen sich zu stabilisieren. Am Ende dieser Spielzeit wird die Zuschauerzahl voraussichtlich bei etwas über 120.000 liegen, "ein Mittelwert der Vor-Corona Jahre", wie Barbara Mundel sichtlich stolz erklärt. Im April wurde die 65-Prozent-Marke geknackt, ein Viertel des Publikums war jünger als 30 Jahre.
Dass da noch Luft nach oben ist, ist allen Beteiligten klar, es scheint sich aber eine Trendwende abzuzeichnen zu einem: Da geh ich wieder hin!
Vielversprechende Spielzeit: Von Shakespeare bis Nosferatu
Die Pläne für die kommende Spielzeit sind vielversprechend. Unter dem Motto "Auf nach woanders" beschäftigt sich das Theater mit Themen der Zeit und solchen der Stadt. Der exil-ukrainische Regisseur wird Natascha Wodins Roman "Sie kam aus Mariupol" inszenieren. Charlotte Sprenger wird auf der Basis von Franz Kafkas "Amerika/Der Verschollene" der Frage nach gesellschaftlichen Regeln nachgehen. Neben einem klassischen Drama wie Henrik Ibsens "Baumeister Solness", das Felicitas Brucker inszenieren wird, steht die Vampirkomödie "Oh Schreck!" nach F. W. Murnaus "Nosferatu", die Hausregisseur Jan-Christoph Gockel mit viel Lust am Gruseln auf die Bühne bringen wird. Jette Steckel nimmt sich Klaus Manns "Mephisto" vor, Lies Pauwels "Was ihr wollt" von Shakespeare. Emre Akal spürt Werner Fassbinders "Katzelmacher" nach und Nele Jahnke bringt "Tristan (und Isolde)" auf die Bühne, ein romantisches Musiktheater mit vielen Sprachen, unter anderem der Gebärdensprache.
Samuel Koch als prominenter Neuzugang bei den Kammerspielen
Samuel Koch, der 2010 bei "Wetten, dass" über fünf Autos zu springen versuchte und seitdem querschnittgelähmt ist, hat aufgrund einer langen Pro- und Contra-Liste entschieden, nach München zu wechseln. Außerdem kommen Annika Neugart und Konstantin Schumann direkt aus der Falckenberg-Schule ins Ensemble. Sie machen dann ganz direkt und musikalisch klar, was die Stunde vorher in viele Worte gefasst wurde. Sie performen grandios ABBAs "Lay all your love on me". In diesem Sinne auf ganz viel neue Theaterliebe.

Die Kammerspiele und das, was sie machen, sind wichtig in dieser Zeit, in dieser Stadt. Am 29. Juni gibt es noch ein Straßenfest auf der Falckenbergstraße. Vom Theater für alle!
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