Kabarettist Ludwig W. Müller in München: Geschüttelt, nicht gerührt

München - Der Meister des Schüttelreims ist wieder da: Der in Österreich geborene Wahl-Münchner Ludwig W. Müller zeigt sein neues Programm "Unverpackt" im Kleinen Posthof des Deutschen Museums. Ein Gespräch über Thomas Bernhard, gefährliche Frikative und zu dünne Oberschenkel.
AZ: Herr Müller, wie bei so vielen Corona-geschädigten Kollegen hat auch Ihr neues Programm eine etwas längere Vorgeschichte. Erzählen Sie doch mal!
LUDWIG W. MÜLLER: Das war meine längste Schwangerschaft! Anfang 2020 hatte ich erste Vorpremieren, bevor es dann im März mit Covid losging. Aber der Titel "Unverpackt" lässt ja viel zu, so dass ich immer wieder etwas hineinbauen konnte. Was ist nicht alles passiert in der Zeit!
Ludwig W. Müller hat "die Metamorphose wiederentdeckt"
Heißt vom ursprünglichen Programm ist nun gar nicht mehr viel übrig?
Die guten, schönen und zeitlosen Teile sind drin geblieben, aber vieles musste aktualisiert werden. Der rote Faden ist mittlerweile ein eher fadenscheiniger. Aber das macht dem Publikum ja eigentlich nichts.
Worauf dürfen sich Ihre Fans freuen?
Es ist wieder sehr viel Wortwitz, Fremdsprachen und Dialekt drin, aber ich bin ein bissl weg vom immer gleichen Stand-up, mehr hin zu den Figuren, in die ich gerne wechsele. Ich bin sehr gern der Tiroler, aber auch mal ein alter, böser Burg-Schauspieler, und auch mal kurz der böse Russe - die Metamorphose ist sozusagen wiederentdeckt.
Ohne Schüttelreim wird's aber nicht gehen, oder?
Natürlich nicht. Ein Vorgeschmack?
Gerne!
Ich stehe im Media Markt, rege mich über die nicht funktionierende Stereoanlage auf und sage: Die Hifi is fei hi. Oder über das Schicksal des einstigen Volksmusik-Stars: Er kann zwar die alten Landler noch sehr gut, sucht aber jetzt als Sandler nach Leergut.
Müller: "Als Kind habe ich kaum einen Winter ohne Gips überstanden"
So kennen wir Sie. Sind ja in Innsbruck geboren und wo aufgewachsen?
Die ersten zehn Jahre im Tiroler Unterland, wo sie diesen ganz besonders grässlichen, aerosolhaltigen Dialekt mit den Frikativen haben: in Fieberbrunn.
Ah, vogelwilder Skifahrer also?
Vogelwild schlecht. Als Kind habe ich kaum einen Winter ohne Gips überstanden. Vielleicht weil ich sehr schnell so lang aufgeschossen bin, hat mir ein bissl der Oberschenkel gefehlt. Ich wollte ja alles mitmachen, den Hochkogel in Schussfahrt runter musste sein. Oder die Waldbahnen! Im Dialekt übrigens Waldbu wie Bahn! Wie gesagt ein sehr spezieller Dialekt da.
Müller über Thomas Bernhard: "Ich habe seine Bücher damals gefressen!"
Auch Ihre Zeit als Kartenabreißer am Wiener Burgtheater hat offenbar Spuren hinterlassen…
Meine Begeisterung war das Theater! Als sich mein Vater den Traum von einem alten Bauernhaus im Salzkammergut verwirklicht hat, war mein Gymnasium genau dort, wo Thomas Bernhard seinen Schreib-Bauernhof hatte. Er hatte sich sogar das Haus, das mein Vater gekauft hatte, kurz zuvor angeschaut, sich dann aber doch für so einen richtigen Vierkanthof wie in Ohlsdorf entschieden. Ich habe seine Bücher damals gefressen! Er saß auch immer im Café Brandl in Gmunden, war natürlich sehr unzugänglich, aber man konnte ein bisschen die Ohren spitzen und mitlauschen. Davon erzähle ich auch im Programm. Aber meine größte Sehnsucht war: Ich will nach Wien!
Zu den Thomas-Bernhard-Inszenierungen von Claus Peymann?
Kurz vor der Pandemie habe ich Peymann mal in den Kammerspielen getroffen und ihn angesprochen: "Herr Peymann, ich war mal auf Ihrer Payroll, als Billeteur." Ich war auf der Seite der Damen-Garderoben im Akademietheater, im kleinen Haus, wo Peymann auch oft war. Meine Aufgabe bestand darin, im Fall eines Großbrands die Türen aufzumachen. Das war eine wilde Zeit. Ein Bauer hat damals aus Protest eine Fuhre Mist vor dem Burgtheater abgeladen, und bei der Premiere von "Heldenplatz" wurden einige Burschenschaftler in der Vorstellung so lautstark, dass wir sie rausschmeißen mussten.
Aber so ganz heimisch sind Sie in Wien doch nie geworden.
Wien ist eine Stadt, die einen erst nach sehr langer Zeit irgendwie einschließt und akzeptiert. In München lebe ich jetzt seit 17 Jahren, habe Frau und Kind hier, und ehrlich gesagt kam es sehr schnell dazu, dass ich, wenn ich für einen Auftritt in Wien oder woanders in Österreich war, gesagt habe: "Ich fahr jetzt heim."
Kleiner Posthof, Deutsches Museum, 2. August, 19.30 Uhr